MaxFun Sports Laufsport Magazin
Unter Laborbedingungen knapp am Weltrekord vorbei
Knapp am Weltrekord vorbei - 6. Mai 2017 in Monza
Das „Sub-2-Hours-Project“ kann in die nächste Runde gehen, nein, wird in die nächste Runde gehen. Eliud Kipchoge, Serien- und Olympiasieger im Marathon, ist an diesem denkwürdigen Monza-Morgen (6. Mai 2017) hauchdünn an der 2-Stunden-Schallmauer vorbeigeschrammt, die Uhr im Ziel blieb 25 Sekunden danach stehen. Es fehlte ihm also pro Kilometer nicht viel mehr als eine halbe Sekunde, eine lächerliche halbe Sekunde, aber dennoch.
Wobei natürlich auch 2h00Min25s Weltrekord bedeuten würden, wäre da nicht die Tatsache, dass man „unter Laborbedingungen“ gelaufen ist.
Was allerdings bedeuten denn Laborbedingungen?
Ok, Kipchoge lief hinter sich abwechselnden Tempomachern her, und hinter einem Führungsfahrzeug, und auf der Rennstrecke in Monza im Kreis. Die große Sportschuhfirma hat einen völlig neuen Schuh extra für diesen Rekordversuch konzipiert und man hat mit Bekleidung und Wettkampfernährung experimentiert und den Ausnahmeläufern – neben Kipchoge starteten noch Tadese und Desisa – zur Verfügung gestellt. Laborbedingungen also? Ansichtssache, denn bis auf die sich immer wieder abwechselnden Tempomacher entsprach eigentlich nichts irgendwelchen außergewöhnlichen Umständen. Was spricht dagegen, dass man die bestmögliche, windschlüpfrigste und atmungsaktivste Bekleidung verwendet? Was gegen die bestmögliche, bestverträglichste Wettkampfernährung? 42,195km sind und bleiben 42,195km, auch, wenn man sie auf einer Flugbahn rennen würde…einzig die Schuhe sind in vielen Augen zumindest diskussionsbedürftig, geben sie tatsächlich mehr Energie zurück als bei jedem Fußaufprall verschluckt wird? Ist hier ein nicht mehr legaler Federeffekt vorhanden? Schwer zu sagen, denn viel drang ja nicht an die Öffentlichkeit im Vorfeld, sobald das Modell einmal in exakt dieser Ausführung gekauft werden könnte – wer allerdings kann das kontrollieren? – wüssten wir mehr. Auf den ersten Blick spricht also nur die Tatsache, dass die Tempomacher ein- und ausgestiegen sind, wie Kipchoge das gebraucht hat, gegen eine offizielle Anerkennung zum Weltrekord. Bei den Damen war es Mary Keitany, die vor kurzem in London ohne Tempomacherinnen zum neuen Weltrekord gelaufen war. Nach 2h17Min01s blieb für sie die Uhr stehen. Paula Radcliffe war 2003 etwa eineinhalb Minuten schneller gewesen, allerdings in Begleitung männlicher Pacemaker, was dazu veranlasst hatte, zwei unterschiedliche Rekorde – einmal mit und einmal ohne Herrenbegleitung – zu etablieren. Vielleicht könnte man so etwas Ähnliches in Kipchoges Fall auch andenken.
Lassen wir uns alles nochmal auf der Zunge zergehen.
Der Olympiasieger gab im Vorfeld an, am liebsten in der Gruppe zu trainieren, Halbmarathon-Weltrekordler Zersenay Tadese hingegen trainiert am liebsten alleine. Und ließ sich die Namen seiner Eltern auf seine vermeintlichen Rekordschuhe schreiben, Kipchoge hingegen setzte auf „beyond the limits“. Und wäscht seine Trainingsbekleidung immer noch mit der Hand, obwohl er als Multimillionär sicher auch waschen lassen könnte – per Maschine oder gar von Bediensteten. Aber da ist und bleibt er ein wenig altmodisch, auch, was seine Trainingsaufzeichnungen betrifft, da rennt nichts über den Computer, jeder einzelne Kilometer der letzten 14 Jahre ist handschriftlich festgehalten.
So wird sich Eliud Kipchoge wohl auch diese Durchgangszeiten aufschreiben,
- nach 5km standen 14Min14s auf dem großen Display,
- nach 10km 28Min21s,
- nach der halben Marathondistanz 59Min57s (das gab es noch nie…),
- nach 25km 1h11Min03,
- nach 30km 1h25Min20s,
- nach 35km 1h39Min37s und
- nach 40km 1h54Min04s.
Ab der 25-er-Marke wären das also ebenfalls alles Weltrekorde.
Und auch, wenn die Kritiker jetzt wieder hinter allen Ecken hervorschießen, dass das alles nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann und dass das auf diese Art und Weise ohnehin niemals zu einem Weltrekord reichen wird, muss man doch sagen, dass dieser 6. Mai für Eliud Kipchoge und die gesamte LäuferInnenwelt ein ganz besonderer war. Ach ja, Tadese kam nach 2h06Min51s ins Ziel und Lelisa Desisa vollkommen erschöpft nach etwas mehr als 2h14Min. Die beiden waren allerdings auch Kipchoges Tempo angegangen.
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