MaxFun Sports Laufsport Magazin
Genug von der Tempobolzerei?
Früher hatte er sie ausgelacht, insgeheim zwar, aber doch. Die alten Läufer, die nur noch langsam durchs Gelände getrappelt waren, was für ein Anblick, lauter Don Quijotes ohne Sancho Panzas, schief, ausgemergelt bis zum Dorthinaus, ärmlich, in erbärmlichen Klamotten. Sie liefen elendslang, manche gar ein paar Tage am Stück, aber ganz ehrlich – so dachte er damals – was sollte denn das alles, in dem Tempo konnte man gehen auch. Ja, früher war das gewesen, früher, als er ein Intervalltraining nach dem anderen nicht nur in die Allee geknallt hatte, einmal waren sie sogar stehengeblieben, die Passanten, und hatten applaudiert, weil alle von seiner Trainingsgruppe einschließlich seiner Wenigkeit mit nacktem Oberkörper knappe zwanzig Kilometer pro Stunde gelaufen waren, und das nicht zu kurz. Pah, lang ist´s her, verdammt lang.
Stolz war er gewesen, stolz waren sie alle gewesen, alle von der Trainingsgruppe, und das ging lang so, sehr lang. Bis dann einer von ihnen anfing, aufzuhören. Also mit der Tempobolzerei, nicht wegen der Verletzungen, die hatten sie alle, und Schmerzen auch, aber es gab nichts, was der Arzt nicht hätte richten können. Und was der nicht schaffte, schaffte der Physiotherapeut, und was der nicht konnte, konnte der Osteopath, und was der nicht hinbekam, bekam der Wunderheiler vom nächsten Ort hin. Der eine allerdings wollte sich nicht mehr behandeln lassen, nicht, weil´s ihm zu teuer geworden war, sondern weil er genug hatte von der Bolzerei. Kam eh immer dasselbe raus dabei, schneller wurden sie alle schon lang nicht mehr. Hundert und mehr Kilometer „lief“ der eine, immer wieder, wobei „laufen“ konnte man ja doch nicht dazu sagen. Damals zumindest nicht, damals.
Heute ist das anders. Heute läuft er selbst nicht mehr schnell. Er hat auch genug von der Tempobolzerei. Oder sagen wir so, er „hätte“ gerne genug von ihr, bloß, es geht halt nicht mehr so. Irgendwann war er nach dem Winter nicht mehr schneller geworden, irgendwann war er nicht mehr dagewesen, der so gut bekannte Kick nach den ersten zwei, vielleicht drei Intervalleinheiten nach dem langen Grundlagenwinter. Irgendwann waren sie weggewesen, Biss und Ehrgeiz, wozu noch einmal und noch einmal und noch einmal? Zuerst wollte er ganz aufhören, weil ein gewisses Maß an Sportlichkeit hatte er sich selbst stets aufoktroyiert. Eine Zeitlang hatte es ihm sein eigener Stolz verboten, ganz gemächlich durch die Gegend zu traben, dann lieber Spazierengehen, da sah niemand, dass man eigentlich im Training war.
Doch nach und nach veränderten sich seine Gedanken, er wurde nicht nur weiser, auch weißer, beschäftigte sich mit dem Sinn dahinter, mit dem Sinn hinter Bewegung, mit dem Sinn hinter dem Sinn, und begann wie einst die Don Quijotes durch die Gegend zu hoppeln, zu traben, erst kurz, dann immer länger, bis er schließlich am Wochenende bis zu zehn Stunden joggender- und gehenderweise unterwegs war. Und seinen großen inneren Frieden darin fand, in diesen kontemplativen Dauerläufen/-gängen; er wurde immer bewusster, schaute gar nicht mehr auf die Uhr, auf die Kilometer, Leistung war ihm egal, es ging um ganz etwas Anderes. Bis er sich spaßeshalber noch einmal hinstellte zur Linie des Startes, er wusste selbst nicht, warum, aber er tat es. Und da war es wieder, das Feuer, das einst lichterloh gebrannt hatte in ihm, da war es wieder.
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