MaxFun Sports Laufsport Magazin
Demut und Dankbarkeit
Sifan Hassan, die Überläuferin der Saison (unter anderem Doppelweltmeisterin von Doha, 10000m und 1500m), wird eventuell enttäuscht sein über ihren zweiten Rang beim Valencia-Halbmarathon, etwa 21s nach der Siegerin überquerte sie nach 1:05:53 die Ziellinie, den wohl angestrebten Weltrekord hatte sie damit doch relativ deutlich verfehlt. Grund dafür wird mit ziemlicher Sicherheit ihr Sturz bei km 7 gewesen sein, der sie zum einen auf den Boden und zum anderen etwas aus der Bahn warf.
Zufriedener sein könnte Yomif Kejelcha mit seinem Sieg im gleichen Lauf, nach 59:05 und damit persönlicher Bestzeit blieben die Uhren für den Hallen-Meilen-Weltrekordler stehen. Und ob die vielen sonstigen TeilnehmerInnen der Großstadt im Osten Spaniens oder die vom Wiener Prater oder all die anderen, die an diesem letzten Oktober-Wochenende irgendwo gestartet sind, mit ihren Leistungen happy sind, hängt wohl von vielen Dingen ab.
Was am Ende zählt
Am Ende des Tages zählt das alles aber nur noch wenig. Am Ende des Tages wird es wahrscheinlich egal gewesen sein, ob man ein paar Weltrekorde erzielt hat, immer an seinen Zielen gescheitert oder überhaupt nicht gelaufen ist. Am Ende des Tages zählt eher, dass man ein schönes, zufriedenes Leben gehabt hat. Klar können da sportliche Erfolge mit hineinspielen oder auch nicht. Je nachdem, wie man die Inhalte seines Lebens gestaltet und sich selbst (immer wieder neu?) definiert. Ein sehr erfolgreicher Ex-Ausdauersportler hat neulich in einem Video sehr richtig von sich gegeben, dass man nicht immer Sportler (oder in seinem Fall Spitzensportler) bleibt und sich selbst irgendwann vollkommen neu erfinden muss/sollte. Sonst bleibt man in der Vergangenheit hängen und kommt nicht voran, sprich, man „lebt“ nicht richtig.
Dieter Baumann, der 5000m-Olympiasieger von Barcelona 1992, war knapp vor Eliud Kipchoges Lauf ins nächste Jahrhundert in der Wiener Hauptallee auf dem „schnellsten Läuferasphalt der Welt“ ein paar Tausender gelaufen; in 3:22-3:26. Für einen, der ein solches Tempo vor ein paar Jahren eher als Spaziergeschwindigkeit bezeichnet hätte, eigentlich ziemlich. Der Deutsche ist aber bereits Mitte 50, somit relativiert sich wieder alles, und man kann sich sicher sein, dass er mit seiner Leistungsfähigkeit sehr zufrieden ist, zumal er stets ein Lächeln übrig hat für die übrigen Daherlaufenden.
Es geht um Demut und um Dankbarkeit
Man bleibt nicht sein ganzes Leben lang 25 und auf dem Zenit seiner Verfassung. Meist merkt man das erst, wenn man krank oder verletzt ist. Dann, wenn man überhaupt nicht trainieren kann, dann, wenn man sich vielleicht überhaupt nicht bewegen kann. Wer immer nur nach dem persönlichen Maximum strebt, der wird durchaus ziemlich hart aufknallen auf dem Boden der Realität.
Jan Frodeno hat es vorbildhaft formuliert, nachdem er „es“ vorbildhaft zu Ende geführt hat 2017 auf Hawaii; obwohl ihm Rückenprobleme sehr zu schaffen machten, „wanderte“ er weit abgeschlagen ins Ziel und meinte hernach, er wisse nicht, wie lange er überhaupt noch performen könne und es würde der Tag kommen, an dem er sehr froh darüber wäre, eine solche Leistungsfähigkeit überhaupt noch zu besitzen; daher wäre Aufgeben keine Option für ihn gewesen.
Sind wir doch auch dankbar, wenn wir im Siebenerschnitt durch den Wald traben und uns an der frischen Luft, dem Vogelgezwitscher und dem weichen Boden unter uns erfreuen können. Sind wir doch auch dankbar über den wohlduftenden und –schmeckenden Kaffee hernach und die heiße Dusche. Sind wir doch auch dankbar, dass wir eines schönen Tages überhaupt am Start stehen beim Halbmarathon und weit entfernt von unseren Bestzeiten ins Ziel wackeln. Hauptsache, wir wackeln überhaupt (noch). Denn solange wissen wir, dass wir noch sind.
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