MaxFun Sports Laufsport Magazin
Hundertdreißig Kilometer (130 in Zahlen), und das am Stück
Sowas hatte er noch nie gemacht. Eigentlich. Oder doch irgendwie, denn solche Läufe waren ja schon auf seinem Trainingsplan gestanden. Wie er überhaupt auf die Idee kommen konnte, bei DEM mitzurennen. Irgendwann hatte ihm ein Täubchen geflüstert, er müsse einmal in seinem Leben um seine Heimatstadt herum gelaufen sein. EINMAL IN SEINEM LEBEN. Und wann, wenn nicht jetzt? Wer garantierte ihm, dass er noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt in diesem seinen Sein die Gelegenheit zu etwas so Verrücktem haben würde? Niemand, richtig, genauso wenig, wie ihm niemand garantieren konnte, auch nur annähernd in den Bereich der Ziellinie zu gelangen. Hundertdreißig Kilometer (130 in Zahlen), und das am Stück, ein ganzes Mal mehr oder weniger um die Hauptstadt von Österreich, mit allen größeren und kleineren Erhebungen, die sich nicht nur ihm da in den Weg stellten. Und das waren beileibe gar nicht so wenige, gut, das Hinaufgelangen war der angenehmere Teil des Ganzen, so sehr er sich auch bemüht hatte in den letzten Wochen, Monaten, es blieben dennoch die Bergabpassagen, die es ihm, respektive seiner vorderen Oberschenkelmuskulatur, angetan hatten.
Sowas von zerfetzt hatte es ihm die feinen Strukturen, die aus Aktin und Myosin zu bestehen schienen, wohl noch nie, sowas aber auch. Die Rede ist vom gestrigen Lauf über die sieben Hügel von Rom oder auch die fünf von Wien, denen er ein weiteres Läufchen rund um den Lainzer Tiergarten angeschlossen hatte; im Hörndlwald dann auch noch bravourös verkoffert, weil er den falschen Markierungen gefolgt, um irgendwann dann endlich wieder ins Wiental zu gelangen, das er glatt durchlaufen wollte. Durchhumpeln wäre die treffendere Bezeichnung, am Ende stand ein satter Betrag an Kilometern im fiktiven Logbuch, beim Wettlauf selbst wird er da erst in der ungefähren Mitte sein, vielleicht und hoffentlich auch in der seinen; wobei gerade die blutigen Stellen an den Innen-, Vorder-, Hinter- und Außenseiten seiner Oberschenkel von ganz Anderem zu zeugen wussten. Wie auch die blutigen Zehennägel, die eigentlich nach den letzten Ausfällen gar nicht mehr vorhanden, oder doch? Und die latente Müdigkeit, die gar nicht so sehr an das Körperliche erinnerte, und dann wieder schon, noch nie wären Umfallen und Schlafen schöner und entspannender gewesen als am gestrigen Tage des Herrn oder gendermäßig eigentlich der Dame; bloß wie sieht das aus, wenn einer in bunten Laufklamotten direkt vor Schönbrunn in eine Art Schockstarre fiele? Polizei, Rettung, Feuerwehr, Touristenbusse, alles Fehlanzeige, DIE will man nicht teilhaben lassen an den wohl intimsten Momenten, in denen man nur noch sich selbst sieht, herumwandeln in einer viel zu großen Welt, in einer viel zu schnellen, vor allem dann, wenn selbst der Sechserschnitt wie Raserei anmutet.
Am Tag danach das große Fressen, den halben Bio-Supermarkt einverleibt, und doch will sich keine Sättigung einstellen. Wie um Gottes Willen will man einen Monat später noch einmal soweit laufen? Gehen? Schleichen? Kriechen? Dass man in die Dunkelheit geraten würde, war einem spätestens klar, als man sich bewusst gemacht hatte, dass am 31. Oktober die Tage bereits sehr nahe an der Winternachtswende lagen, es überdies kalt sein konnte, bitterkalt. Wie war das mit dem Gewand, den Schuhen, den Nasenschützern? Blasenpflaster, neue Socken, fette Creme, eine Leuchtrakete, falls man doch bis zum Silvestertage unterwegs sein würde, und für besondere Notfälle einen Klon, den man bei km 65 einfach abzuklatschen hatte. Ob man etwas brauchen würde, so die Frage einer zufällig getroffenen Bekannten, ja, einen neuen Körper. Und dennoch, die Vorfreude auf das Unbekannte, die ist riesengroß. Auf zum Abenteuer zu sich selbst! (Infos: „Rundumwien“)
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