Von Baum zu Baum ein Seil gespannt, schon geht es ab.
Spaziert man sonntags nach getanem Training durch einen der zahlreichen pittoresken Parks in einer beliebigen Großstadt in Europa, kann man sie beinahe allerorts bewundern, die Slackliner. Was anfangs der entspannten Kletter- und Snowboarderfraktion zugeschrieben und belächelt wurde, findet immer mehr Zuspruch, unter allen Bevölkerungsschichten bildet sich leichtes Suchtverhalten bezüglich dieses Balancetrainings heraus.
Frage; bringt es der Läuferin etwas, sich selbst eine Gummischnur zuzulegen und wie einst Karlsson vom Dach oder Pipi Langstrumpf zwischen fiktiven Häusern, in schwindelnden Höhen, seilzutanzen und in Gedanken kleine Kinder und den Affenherrn Nilsson zu retten? Definitiv ja.
Koordination ist eine der fünf motorischen Grundeigenschaften (neben Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Flexibilität), und nicht die unwichtigste. Selbst die gesamte Läuferschar täte gut daran, an ihr zu arbeiten, zumindest der Durchschnitt. Stellt man sich - ebenfalls sonntags - in die Prater Hauptallee und beobachtet das LäuferInnenvolk, stellt man bald fest, dass Laufen scheinbar doch nicht die ursprünglichste aller Bewegungsformen sein kann, zu schlurfend, wackelnd, hinkend, schleichend, torkelnd sind die zu sehenden Bewegungen.
Lauf-Koordinationsübungen, Kräftigen der Rumpf- und sonstigen Muskulatur, Stretching, Barfußlaufen, und einiges Andere auch würden hier schon ein paar erste Schritte in die richtige Richtung weisen. Slacklinen passt da natürlich hinein wie nur was, steht das koordinative Element hier - was das rein Sportliche betrifft - an allererster Stelle. Gehirn und Rückenmark müssen bis in die allerletzte Muskelfibrille Aktin, Myosin, Z-Scheiben und Elementarteilchen koordinieren, dass man nicht hinunterplumpst, respektive überhaupt einmal aufsteigen kann auf die Wackelschnur. Nicht so Unbegabte brauchen allein dafür ein paar Wochen, ist man erst einmal oben, steht man vor dem zweiten Problem, dem Hinüberbalancieren. Doch was wäre Slacklinen ohne KommunikationspartnerInnen, ohne Rotwein oder Bier, ohne der einen oder anderen Entspannungszigarette, ohne Relaxen durch Cool down. Irgendwie erinnert die Sommer-Situation im Wiener Augarten an die Bewegung der 68-Jahre, überall Menschen mit nacktem Oberkörper, im Schneidersitz im Halbkreis, man beobachtet mit langem Haar und Kopfband, ob sie/er es bis hinüberschafft oder auch nicht. Keiner lacht, wenns nicht gelingt, man spielt Gitarre und "new games", Spiele ohne Sieger.
Undenkbar, dass einmal Slackline-Wettbewerbe existieren werden, zu unmöglich das Szenario, genau das Gegenteil vom Laufen; Gegenpol. Wie angenehm, endlich etwas machen zu können, bei dem man sich nicht misst am Konkurrenten, an der Frequenz, am Gegenüber. Hierin liegt das Geheimnis, zwei Fortbewegungsarten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die sich aber so schön ergänzen wie Sonne und Mond, wie Tag und Nacht, wie ich und du. Wer heuer noch bei Lauf-Wettkämpfen reüssieren möchte, sollte unbedingt mit diesem herrlichen Ganzkörperkoordinationsprogramm beginnen, die Laufbewegungen werden geschmeidiger, ökonomischer, man wird schneller, ausgeglichener, gesünder. Und findet vielleicht Gefallen an wieder neuen Sportarten, die den persönlichen Horizont abermals und abermals erweitern, ohne dass diese in irgendeiner Art und Weise in Konkurrenz zum Laufen stehen, im Gegenteil; je breiter die sportmotorische Basis, desto leichter tut man sich etwa auch beim Laufen.
Christian Kleber (MAS)
Link: www.WomanMaxFun.com