Das Reizvolle am Sport ist, dass es kaum gesetzmäßige Zusammenhänge gibt. Nix ist fix, aber alles ist möglich, könnte die Devise lauten
Es gibt zwar allgemein anerkannte Trainingsprinzipien, aber deren Einhaltung garantiert noch lange nicht den durchschlagenden Erfolg. Immer wieder hört man aus verschiedensten Informationsquellen, dass nun jemand die einzig richtige Trainings- oder Ernährungsmethode gefunden hätte. Nach einer kurzen Phase der Euphorie und Unruhe kommt die nächste, meist gegensätzliche Empfehlung mit dem gleichen Gültigkeitsanspruch.
1. Alternativtraining
Bei hohen Trainingsumfängen stellt bei Läufern häufig der passive Bewegungsapparat (Sehnen, Bänder, Gelenke) den leistungslimitierenden Faktor dar. Durch das Integrieren alternativer Ausdauersportarten kann vor allem in der Vorbereitungsphase die allgemeine Ausdauer auf ein hohes Niveau entwickelt werden, ohne dass der Bewegungsapparat übermäßig belastet wird. Von mehreren Spitzenmarathonläufern ist bekannt, dass sie durch mehrstündige, lockere Radeinheiten (3 - 5 Stunden mit 65 – 75% der maximalen Herzfrequenz) eine weitere Ökonomisierung im Herz-Kreislaufverhalten und der Stoffwechselsituation erreichen konnten. Aber nicht nur Spitzensportler können von diesem Reizwechsel profitieren.
Physiologisch stellt das alternative Ausdauertraining (Radfahren, Schwimmen, Inline-Skaten, Schilanglaufen, ...) einen neuen Anpassungsreiz dar, der den vielleicht abgestumpften Organismus wieder aus der Reserve locken kann. Aber auch der psychologische Nutzen darf nicht übersehen werden, da das vielseitige Ausdauertraining einfach mehr Spaß macht, vielleicht auch deshalb, weil man dann weniger häufig verletzt ist.
2. Kraftausdauertraining für Ausdauersportler
Praktisch alle Trainingsexperten stimmen in der Ansicht überein, dass in einer vermehrten Integration des widerstandsorientierten Ausdauertrainings eine wichtige Entwicklungsreserve liegt. Bei Ausdauersportlern, bei denen die Kraft eine relative Schwäche darstellt, kann durch ein vernünftiges Krafttraining die Wettkampfleistung tatsächlich verbessert werden.
Sie sollten aber nicht aussehen wie Arnold Schwarzenegger, denn große Muskelberge müssen für Ausdauerleistungen erst entsprechend mit Blut und Sauerstoff versorgt werden. Diese Angst ist wahrscheinlich auch unbegründet, da sie als Ausdauersportler wahrscheinlich über eine Muskulatur mit einem hohen Anteil an roten slow twitch Fasern verfügen, die auf das Krafttraining mit keinem großem Muskelwachstum reagieren. Zur Verbesserung der Kraftausdauerfähigkeiten sollten sie Übungen mit relativ geringen Widerständen (40 – 60% der Maximalkraft) und hohen Wiederholungszahlen (2 x 12 bis 3 x 30) wählen.
Für Langstreckenläufer kann auch z.B. das Laufen im tiefen Sand (am besten barfuss) oder das Bergauflaufen ein sinnvolles und sehr spezielles Kraftausdauertraining darstellen.
Bei Übungen im Fitness-Studio achten sie bei der Übungsauswahl darauf, daß auch jene Muskelgruppen trainiert werden, die beim Laufen zu kurz kommen. Durch das Training der stabilisierenden Bauch- und Rückenmuskulatur kann auch eine aktive Vorsorge gegenüber Kreuzschmerzen betrieben werden. Eine Kräftigung der Kniestrecker (Oberschenkelvorderseite) kann bei Knieproblemen helfen, da die Muskulatur auch immer eine Stütz- und Schutzfunktion für die Gelenke darstellt.
3. Periodisierung – neu!
In den Ausdauersportarten wird üblicherweise ein Periodisierungsschema angewendet, wo am Beginn eines Trainingsjahres die Grundlagenausdauer entwickelt wird und dann – folgend dem Grundsatz: vom Allgemeinen zum Speziellen – mit zunehmender Intensität die wettkampfspezifische Ausdauer trainiert wird.
In letzter Zeit war von einigen Spitzensportlern (z.B. Luc van Lierde, Inhaber der Weltbestzeit im Ironman-Triathlon) zu lesen und zu hören, dass sie am Beginn des Trainingsjahres mit einem Zyklus mit relativ intensiven Trainingsinhalten beginnen und erst dann die langen, ruhigen Einheiten absolvieren. Was steckt dahinter? Absolute Weltklasse-Ausdauersportler verfügen über ein extrem hohes und stabiles Niveau der Grundlagenausdauer, so dass ruhige Einheiten am Beginn des Trainingsjahres diese Grundlagenausdauer gar nicht weiter verbessern können. Deshalb versuchen diese Sportler mit intensiven Trainingsreizen zuerst ihre maximale Sauerstoffaufnahme zu verbessern, um dann im nächsten Abschnitt trotz eines Trainings mit relativ geringer Intensität (in Relation zur nun hohen VO2max) höhere Geschwindigkeiten absolvieren zu können als bei einer niedrigen VO2max.
Da die meisten Hobbyläufer aber eher über eine relative Schwäche im Bereich der Grundlagenausdauer verfügen, ist diese Vorgangsweise für die breite Masse, die den Marathon über 2:15 läuft, nicht zur Nachahmung empfohlen.
4. Fat as Fuel oder Basta mit der Pasta?
Die Größe der Kohlenhydratspeicher (Glykogen) in Muskulatur und Leber stellt bei Ausdauerwettkämpfen eindeutig eine leistungsbestimmende Größe dar. Auch beim Ausdauertraining werden die Glykogenspeicher ständig mehr oder weniger weit entleert, weshalb für die Ernährung der Ausdauersportler immer ein hoher Kohlenhydratanteil empfohlen wird. Carbo loading Parties sind ein nicht wegzudenkender Bestandteil aller großen Marathonläufe geworden.
Plötzlich hört man von einigen sehr erfolgreichen Ausdauersportlern, dass sie neben einer relativ fettreichen Alltagsernährung (auf Kosten der Kohlenhydrate) sogar im Wettkampf bizarr anmutende Gemische mit einem hohen Anteil an Olivenöl zu sich nehmen. Mark Allen hatte bei seinen Siegen beim Hawaii Ironman manchmal bis zu 30% Olivenöl in der Trinkflasche. Christoph Mauch, der Schweizer Überraschungsmann in Hawaii 98 (4. Platz) fährt auch im Training mit Olivenöl durch die Gegend. Diese Einzelbefunde stehen in Einklang mit der v.a. in den USA sehr populären 40-30-30 Diät (nur 40% Kohlenhydrate, je 30% Fett und Eiweiß). Viele der neu auf den Markt kommenden Energieriegel entsprechen auch dieser Zusammensetzung.
Heißt das, die Pasta hat als Hauptnahrungsmittel für Marathonis ausgedient? Nein, so weit ist es noch nicht. Tatsache ist, je länger die Belastung dauert, um so wichtiger ist die Energiebereitstellung über die Fette. Deshalb sind Einzelbefunde vom Ironman-Triathlon (Zeitdauer: 8 – 15 Stunden) nicht so einfach auf einen Marathonlauf zu übertragen. Weltklasse-Ausdauersportler unterscheiden sich unter anderem dadurch von Freizeitsportlern, dass sie auch bei relativ hohen Intensitäten – v.a. trainingsbedingt – immer noch überwiegend die Fette zur Abdeckung des Energiebedarfes heranziehen können. Das heißt, der Fettstoffwechsel funktioniert bei ihnen einfach besser, was auch ein Grund für den üblicherweise sehr niedrigen Fettanteil von Spitzensportlern ist.
Bei den meisten Sportlern funktioniert es leider nicht so einfach, dass bei einer höheren Fettzufuhr der Körper unter Belastung eher auf das Fett zurückgreift. Mit der 40-30-30 Diät sollen u.a. die starken Schwankungen der Blutglucose verringert werden, die bei überwiegender Zufuhr von komplexen Kohlenhydraten ohnehin kaum auftreten.
Es gibt leider zu wenig Untersuchungen mit Spitzensportlern mit einem extrem niedrigen Körperfettanteil, ob in diesem Fall eine höhere Fettzufuhr leistungssteigernd wirken könnte. Die Zufuhr von mittelkettigen Triglyceriden (MCT-Öl) ist in geringen Mengen sicher positiv, wenn sie vom Sportler gut vertragen werden. Fett ist nicht gleich Fett. Olivenöl kommt deshalb in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu weil es den höchsten Anteil an einfach ungesättigten Fettsäuren besitzt. Einige Untersuchungen der letzten Zeit deuten hingegen darauf hin, dass die allgemein als die gesündesten Fette bezeichneten mehrfach ungesättigten Fettsäuren bei hohen Dosierungen v.a. bei älteren Personen sogar krebsfördernd wirken können. Dem Olivenöl, das in der mediterranen Küche dominiert, wird auch gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben. Trotz allem: eine fettreiche Kost wird bei den meisten Sportlern zu einer Erhöhung des Körperfettanteils führen und damit die Leistungsfähigkeit verschlechtern.
5. Negative Splits– progressive Tempogestaltung im Wettkampf
90% aller Marathonläufer beginnen das Rennen mit einem zu hohen Anfangstempo. Die Analyse aller Weltrekorde bei den Männern über 5000m, 10000m und vor allem Marathon (1:04 + 1:01) zeigt hingegen, dass alle diese Weltrekorde mit einer schnelleren zweiten Hälfte erzielt wurden. Neben physiologischen Vorteilen ist es sicher auch ein psychologischer Vorteil, wenn man in der zweiten Hälfte eines Marathons eher selbst überholen kann als überholt zu werden. Am leichtesten fällt eine derartige Einteilung natürlich, wenn man im vorhinein sein Leistungsvermögen exakt abschätzen kann. Bei Duathlons wird meist noch schneller gestartet als bei jeder reinen Laufveranstaltung, was sich spätestens beim zweiten Laufteil meist fürchterlich rächt. Wie beim Marathon gilt auch hier: jede am Anfang gewonnene Minute geht am Ende mehrfach verloren
Wilhelm Lilge
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