MaxFun Sports Laufsport Magazin
Unheimlich
22.06.2010, 12:00:00
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© Günter Havlena/PIXELIO |
Die erweiterte Crosslaufsaison naht, und da muss der Autor natürlich mit von der Partie sein. Ganz ohne spezifisches Training läuft da nichts, vor allem er nicht, zu entsetzlich sind die Erinnerungen an vergangene Bergauf-/Bergabsessions quer durch scheinbar alle Gemüsegärten der ganzen Welt, an Oberschenkelmuskeln, die zerfetzt gewesen sein müssen von exzentrischen Bis-zum-Geht-nicht-mehr-Belastungen, an schmerzende Gelenke, an Dehydration und dergleichen. Dreimal auf die Nase beim Leopoldsberg und wieder hinunter, das lapidare Ziel, nicht zu wenig, nicht zuviel. Gleich nach dem ersten Mal auf alle Vorsätze gepfiffen, noch einmal tut er sich das sicher nicht an, diesen senkrechten Anstieg, die unzähligen Stufen, warum auch soll man gleich dreimal hintereinander haargenau dasselbe machen? Besser hinüber zum Kahlenberg und hinunter Richtung Weidling oder Klosterneuburg, ist nicht so steil, und es soll ja "nur" Training sein. Es ist schon recht spät, düster, um es genauer zu sagen, Nebel zieht auf, die Luftfeuchtigkeit erreicht nahezu 100%, verwandelt sich in Nieselregen. Links und rechts scheinbar unendlich hohe Laubbäume, deren Kronen vom Winde hin und her geblasen werden, es rauscht, und er entsinnt sich der Märchen, die man ihm als Kind erzählt hat. Grimmige, brutale Märchen, samt und sonders handelten sie von irgendwelchen kleinen Kindern, die Angst hatten und alleine waren, im Walde, der so groß, so finster und so unheimlich erschien. Er entsinnt sich auch der Mutter, seiner Mutter, die vor acht Jahren verstorben, einfach so, und die ihm knapp danach - nicht wirklich erschienen, aber irgendwie doch, also, es war bei einem Trainingslauf in Salzburg, in der sechsten Morgenstunde an einem dunklen, kalten Dezembertag, als er in einen Wald hineingelaufen war. Gänsehaut stieg ihm damals auf, Gänsehaut, die er bis dahin in solchem Ausmaß nicht gekannt hatte, überall vermutete er seine tote Mutter, nicht dass er sie nicht noch einmal treffen wollte, hatte er doch so viele Fragen, so viel zu sagen, aber irgendwie passte das so ganz und gar nicht in seine Welt, in seine Realität. Die Angst ward unerträglich, er musste umkehren und wie ein Verrückter den Wald, überhaupt die ganze Laufstrecke verlassen, war heilfroh, als er auf der stark befahrenen Bundesstraße angelangt war, die Autofahrer ihn fast umfuhren, anhupten, beflegelten. Nur jetzt nicht an diese Geschichte denken, bitte nicht, nur nicht, da ist er schon, der Gedanke, manifestiert sich im sich wehrenden Verstand, der Schritt wird schneller, der Puls beginnt zu rasen, der Schweiß fließt in Strömen, die Angst wird immer größer, die Gänsehaut beinah unerträglich. Niemand, aber auch schon wirklich niemand ist in dem verdammten Wald, wie sehr wünscht er sich jetzt seine ärgsten Feinde herbei, nur, um nicht allein sein zu müssen. Er rennt wie ein Irrer, stolpert, fällt nicht, rast weiter, da, weiter vorne eine Person, die er einholt, vermummt, die Person, nein, um Gottes Willen, es wird doch nicht…es IST die Mutter, in jungen Jahren, verklärter Blick, wahnsinniger Blick, kein Antlitz mehr von dieser Welt, als er sie überholt, blickt sie ihn an, beim Schreiben dieser Zeilen wieder Gänsehaut, Angst, er schaut ihr noch einmal in die Augen, in Gedanken, AUS! C.K Link: www.MaxFun.cc |