MaxFun Sports Laufsport Magazin
In einem fernen Land
08.09.2009, 12:00:00
Foto:
Elsa/PIXELIO |
Die Riesen waren seine Untertanen und taten alles, was der König sagt. Wollte er, dass sie ein großes Loch aushuben, so machten sie. Wollte er, dass sie zehn Bäume fällten, so machten sie. Wollte er, dass sie für ihn die bösen Wölfe jagten, so machten sie. Eines Tages beschloss der König, dass seine Untertanen den benachbarten Wald erobern sollten. Und weil die Riesen kein schlechtes Leben bei ihm hatten, machten sie auch das. Außerdem war der benachbarte Wald kleiner, die Eroberung war ein Kinderspiel. Die Riesen aus diesem Wald gaben bald klein bei und schlossen sich den anderen an. Nun war der König noch mächtiger, denn er besaß schon zwei Wälder samt den Riesen, die darin hausten. Und weil er auch den neuen Untertanen ein recht passables Leben gewährte, sprach nie jemand auch nur ein Wort gegen den König aus, obwohl dieser den Riesen körperlich weit unterlegen war. Manchmal, wenn die Riesen schlafen gingen, dachten sie über ihr Leben nach, darüber, dass der König reines Glück gehabt hatte, weil auch sein Vater schon König gewesen war, und dessen Vater und so fort. Und manchmal dachten die Klügsten darüber nach, wie alles angefangen hatte – oder wie sie sich den Anfang vorstellten. Es musste einmal jemand gesagt haben, so, dieser Wald gehört jetzt mir, wer hilft mir, ihn zu verteidigen. Ich gebe euch Essen und Unterkunft, wenn ihr mich und meinen Wald beschützt. So sollte es sein und so war es auch. Dann schliefen auch die gescheitesten Riesen ein. In ihren Träumen jedoch erschien ihnen ein kleines Männlein, das sie mit seinem Flötenkonzert verzauberte. Dieses Männlein war nicht einverstanden, dass die Riesen dem König blind gehorchten. Dieses Männlein wollte alles hinterfragen und die Melodie seiner Flöte machte die gescheitesten Riesen misstrauisch. Könnten sie nicht selbst auch König werden? Ein Land beherrschen? Einen Wald besitzen? Andere Riesen als Untertanen haben? Aber dann wachten sie wieder auf, und das Spiel begann von Neuem. Der König befahl ihnen, den nächsten Wald zu erobern, und zwei Berge noch dazu. Dann kamen drei Täler und fünf Flüsse dazu, und schließlich beherrschte der König ein ganzes Land. Er hatte unzählige, treue Untertanen, die ihm immer nach dem Mund redeten und alles taten, was er befahl. Eines Tages stand der König auf der Terrasse seines prunkvollen Schlosses, das die Riesen ihm in mühevollster Arbeit erbaut hatten, und blickte über „sein“ Land. Es war ein schönes Land, voll mit saftigen Wiesen, duftenden Wäldern, hohen, bizarren Bergen, kristallklaren Flüssen, herrlichen Seen, und voll von Riesen, die täglich für den König schufteten. Er war ja gut zu ihnen, gab er ihnen doch zu essen und sie durften bei ihm hausen. Das heißt, nicht ganz, sie wohnten in riesigen Laubhütten in den Wäldern, dort, wo manches Mal Ameisen und Mäuse deren Nachtruhe störten. „Dummköpfe“, dachte der König, „machen alles für mich, diese Narren. Hochmütig und erhobenen Hauptes, ob seiner Macht völlig verblendet, ging der König zu Bett. Im Traum erschien auch ihm jenes flötenspielende Männlein und als er erwachte, hörte er immerzu diese Melodie. Was er auch tat, er hatte stets diesen Ohrwurm in sich. Anfangs bereitete ihm dieser noch Freude und Vergnügen, doch alsbald wurde der König deshalb krank, wirr im Kopf, wusste nicht mehr, was Wahrheit und was Illusion. Als die Riesen, also die gescheitesten unter ihnen, dies mitbekamen, fesselten sie den König an einen Baum und sahen zu, wie die Ameisen ihn langsam von den Zehen aufwärts auffraßen, bei lebendigem Leibe. Als nichts mehr von ihm übrig war, besiedelten sie das Schloss und von diesem Tage an lebten alle Riesen glücklich und zufrieden, ohne anderen Befehle auszuteilen. Bis das flötenspielende Männlein auftauchte… Christian Kleber (BA) Christian Kleber (BA) |