MaxFun Sports Laufsport Magazin
Sport als Kopfsache
Trainingsleistungen können so und so sein. Auch Ergebnisse eines Laktattests können so und so ausfallen. Man kann auf dem Radergometer eine halbe Stunde lang so und so viele Watt treten, folglich rechnet man hoch und kommt auf die und die Endzeit bei dem und dem Wettkampf. So weit, so gut - nur funktioniert das nicht immer so.
Beispiel Laktat-Stufen-Test
Wer beim Laktat-Stufen-Test, bei dem er jeweils drei Minuten lang eine gewisse Geschwindigkeit laufen muss, um danach jeweils zwei km/h schneller zu laufen, das Ganze so lange, bis man nicht mehr kann, der „weiß“ hernach, in welchem Pulsbereich (und natürlich auch Geschwindigkeitsbereich) seine jeweiligen (wieder...) Bereiche (Grundlage I, II etc.) liegen, der „weiß“ danach, wie schnell er den nächsten 5er, 10er, Marathon rennen wird. Auf der einen Seite stellt er sich eigentlich die Frage, „wozu“ soll er dann noch irgendwo antreten, wenn er ohnehin genauestens „weiß“, wie gut/schnell/schlecht er ist. Auf der anderen Seite stellen sich zwei weitere Fragen: erstens, was ist ein solcher „Test“ überhaupt wert, sind drei Minuten Belastung nicht zu kurz, um tatsächlich herauszufinden, was der Proband kann? Und zweitens, was sagen solche Ergebnisse über die wahren Fähigkeiten des Probanden aus?
Mark Cavendish, seines Zeichens Weltmeister im Profi-Peloton und 30-facher Etappensieger bei der Tour de France (um nur wenige seiner wahrlich vielen, tollen Erfolge zu nennen), schnitt bei diversen Leistungsdiagnostiken – so man den Veröffentlichungen trauen kann – stets grottenschlecht ab. Er hätte laut diesen Ergebnissen nie auch nur annähernd in die Situation kommen dürfen, eine TdF-Etappe zu gewinnen, geschweige denn Weltmeister zu werden. Andere wiederum bringen Laufbänder oder Test-Ergobikes quasi zum Brennen, können das aber nicht annähernd umsetzen auf die Straße, die Bahn oder den Trail.
Beispiel Triathlon
Ein Triathlon ist nicht die bloße Addition von Schwimm-, Rad-, Lauf- und Wechselzeiten, schon gar nicht, wenn man „genau“ vorauskalkuliert. Klar, es gibt sie, die Zahlentüftler, die mit ihren Vorhersagen über die eigene Leistung (oder auch über die von anderen) absolut Recht behalten, die, die ihre 267 Watt Durchschnittsleistung über die vollen 180km bringen und hernach noch den exakten 4Min30-er-Schnitt (der ebenfalls akkurat berechnet war im Vorfeld) runterklopfen können. Aber es gibt mindestens ebenso viele, die das nicht zusammenbringen oder jene, die weit über sich hinauswachsen können. Weil sie es einfach im Kopf „draufhaben“. Und so werden aus denen, denen man im Vorfeld aufgrund der bisherigen Leistungen oder Leistungsdaten viel weniger zugetraut hat, plötzlich Siegerinnen und Sieger bei riesengroßen Rennen.
Ein Beispiel dazu ist Daniela Sämmler. Die Triathletin holte 2018 mit 8h43Min den Titel (und gleichzeitig den Deutschen Rekord) in Roth. Ganze 9s vor der favorisierten Lucy Charles, die ihrerseits mit 46Min48s den Damen-Schwimmrekord in der Triathlon-Hochburg aufstellte und „eigentlich“ gar nicht mehr eingeholt hätte werden sollen aufgrund der bisher gezeigten Leistungen aller Teilnehmerinnen. Aber es gibt ihn ja auch noch, den berühmten Kampfgeist und den Willen, der Menschen zum Sieg führen kann, und das hat Sämmler eindrucksvoll bewiesen.
Was können wir daraus lernen?
Dass es im Sport schlicht und einfach unmöglich ist, seriöse Vorhersagen über SiegerInnen und Zeiten zu machen. Gott sei Dank. Denn sonst könnten wir „es“ alle gleich lassen. Und wir könnten es auch mit dem Zuschauen lassen, wozu auch, wenn wir ohnehin im Vorhinein exakt wüssten, wer als Sieger mit welcher Zeit/mit welchen Teilzeiten über die Linie rennt. Der Kopf ist wohl der spannendste Faktor im Sport. Auch der mehrfache Zeitfahrweltmeister Tony Martin hat das einmal betont, was nütze ihm zu wissen, dass er 478 Watt durchschnittlich über 43Min26s drücken könne, wenn er es an diesem Tage einfach (mental) nicht draufhätte. Freuen wir uns auf weitere, spannende und vor allem nicht zu prognostizierende Wettkämpfe allerorts.
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