MaxFun Sports Laufsport Magazin
Rennen wie ein Nurmi
Jüngere Semester kennen diesen Ausspruch wohl nicht mehr, „du rennst wie der Nurmi“, ältere werden ihn klarerweise noch in den Ohren haben, denn was hörte das hurtig dahineilende Kind in Zeiten der FS-1- oder FS-2-Aera dauernd? Richtig, DIESEN Ausspruch. Paavo Nurmi gilt vielen als der bedeutendste und beste Läufer in der gesamten Geschichte der Menschheit, zwischen 1920 und 1928 gewann der Finne nicht weniger als neun Goldmedaillen bei Olympischen Spielen und stellte 24 Weltrekorde auf. Die 1500m beispielsweise lief er in 3Min52s, die 10.000 in etwas mehr als 30Min, und im Stundenlauf glänzte er mit sage und schreibe 19,210km. Und das alles vor fast einem Jahrhundert!
Dabei war Nurmi – zumindest nach seiner einzigartigen Karriere – kein glücklicher Mensch, Finnlands Staatspräsident Urho Kaleva Kekkonen, der selbst Sportler gewesen war, beendete seinen Nachruf auf Nurmi mit exakt dieser Beschreibung, 1973, dem Todesjahr des Nurmi. Dessen sportliche Karriere irgendwann um 1932 zu Ende gegangen war, eine gescheiterte Ehe, Depressionen, Herzinfarkte, eine Fast-Erblindung, all dem war der einstige Spitzenläufer ausgeliefert. Zudem aberkannte man ihm seinen Amateurstatus, weil er angeblich zu hohe Reisespesen verrechnet bekam, was zur Folge hatte, dass er 1932 bei den Olympischen Spielen von Los Angeles nicht starten durfte. Als dann noch Zeitungen schlecht über ihn berichteten, versank er nicht zuletzt deshalb in großer Verbitterung, erst 1952, als man ihm gestattete, das Olympische Feuer ins Stadion von Helsinki zu tragen, schien er einigermaßen versöhnt.
Nurmi war/ist nicht der einzige (ehemalige) Spitzensportler, der nach Beendigung seiner Karriere riesige Probleme hat(te), im „normalen“ Leben Fuß zu fassen. Wer es gewohnt ist, im Rampenlicht zu stehen, wer es gewohnt ist, zu gewinnen, der ist es – vice versa – nicht gewohnt, NICHT im Rampenlicht zu stehen und NICHT MEHR zu gewinnen. Einige können damit sehr gut umgehen, einige nicht. Einige erarbeiten sich ein „zweites Leben“, einige bleiben gedanklich in ihrem einstigen hängen und verbittern zusehends. Einige wenige begehen sogar Selbstmord. Ob da nun Medikamenten- und Dopingmissbrauch mit hineinspielen, kann – zumindest generell – nicht gesagt werden. Im Falle von Nurmi könnte so etwas mit hineingespielt haben, auch, wenn damals von „Doping“, wenigstens in der heute-gängigen Art und Weise, nicht die Rede gewesen sein kann. Nurmi machte 1931 Werbung für das Medikament Rejuven, das heute als Anabolikum gelten würde, und empfahl es allen, die sich harten Belastungen auszusetzen pflegten. Dass unerlaubte Leistungssteigerungen oftmals zu Wahnvorstellungen wie dem „Unbesiegbar-Sein“ führen können, ist bekannt. Dass einige nach ihrem eigenen Ende des „Unbesiegbar-Seins“ beginnen/begannen, Drogen zu konsumieren, auch. Wie dem auch war, Nurmi meinte dereinst: „Meine Bilanz ist nüchtern und ehrlich: Ich habe in meinem Leben nichts geleistet.“
Den Gipfel nie zu erreichen oder den Gipfel zu erreichen und zu erkennen, dass danach nichts mehr kommt, ist wohl die schrecklichste und trostloseste Idee, die ein Mensch haben kann. Wie viele würden sich alle zehn Finger und gleich auch alle zehn Zehen ablecken, würden sie auch nur annähernd das erreichen, was die Nurmis, Zatopeks oder Farahs auf dieser Welt vollbracht haben? Oder auch, wenn sie „nur“ ein einziges Mal einen Marathon finishen können, einen lokalen Wettlauf in der eigenen Altersklasse gewinnen, bei einem Sprint-Triathlon über die so sehnsüchtig angepeilte Linie traben? So viele, so viele…Und doch sind die Gedanken, die der Finne hegte, nachvollziehbar.
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