MaxFun Sports Laufsport Magazin
Gratwanderung im Training
Die Gründe liegen an und für sich auf der Hand. Wer bloß einmal pro Woche für 20 Minuten laufen oder für eine halbe Stunde ins Fitnesscenter geht, muss sich schon ausgesprochen ungeschickt anstellen, um sich zu hart zu belasten - gut, möglich ist das auch mit derartig geringen Trainingsumfängen, so man sich bar besseren Wissens mehr als voll belastet in diesen kurzen Zeitspannen; wer etwa denkt, dass er die 20 oder 30 Minuten (mehr als) Vollgas geben muss, um „etwas davon zu haben“, liegt genauso falsch wie diejenigen, die denken, dass 20 oder 30 Minuten „Training“ pro Woche reichen. In einem solchen Fall kann man höchstens von „physical activity“ sprechen, also von körperlicher Betätigung; bloß fallen jegliche gewünschten Trainingseffekte weg, weil es zu keinerlei Anpassungen kommen kann. Im Gegenteil, wer „Training“ so praktiziert, wird „schlechter und schlechter und schlechter“.
Umgekehrt haben Leistungs- oder gar Spitzensportler oftmals das Problem, dass jegliche Leistungssteigerung eine Gratwanderung im Training bedeutet. Sieht man sich die Umfänge von Spitzenmarathonläufern an, so sind 250-300 km/Woche keine Seltenheit. Selbst sehr ambitionierte Läufer, die „nebenbei“ noch ihrem „Hobby Beruf“ nachgehen müssen, sind in Spitzenphasen 150-200 km/Woche unterwegs. Damit liegen Läufer – von den reinen Trainingsstunden her – aber nicht einmal im Spitzenfeld der Ausdauersportler. Nach Adam Riese machen 200 gelaufene km in dieser „Preisklasse“ ca. 15 Trainingsstunden aus, addiert man noch ein paar Nebengeräusche, kommt man vielleicht auf 17, 18 Stunden, in Spitzenzeiten wohlgemerkt. Der ambitionierte Triathlet hingegen kommt in Phasen von hohen Trainingsbelastungen durchaus auch mal auf 25-30 Stunden, auf Trainingslagern gern auch auf mehr. Radfahrer liegen irgendwo dazwischen.
Wer schon einmal in seinem Leben 150 Laufkilometer in nur einer Woche gesammelt hat, weiß, wie sich das anfühlt, weiß auch, dass die Gratwanderung zwischen möglicher Leistungsverbesserung und komplettem Absturz in die Trainingsleere (die in der Trainingslehre so schön mit dem Begriff „Übertraining“ beschrieben ist) eine sehr, sehr schmale ist. Dass es auf der einen Seite eines unheimlichen Fingerspitzengefühls bedarf, abwägen zu können, wie viele Tausender man noch wie schnell rennen kann; wann es auf der anderen hingegen Zeit wird, die Beine hochzulagern und ein, zwei oder gar drei Ruhetage einzuschieben. Schnell meldet sich – vor allem bei Triathleten – das schlechte Gewissen; ganz ehrlich, drei km sind schnell geschwommen, fürs Wassergefühl, und nur dafür, locker natürlich; und auch ganz ehrlich, zwei Stunden auf dem Rad, kleine Übersetzung, hohe Trittfrequenz, schön im Rekombereich, auch die gehen schnell vorbei. Besser als nichts, gut Blut durch den Körper pumpen, das geht schon. Genau diese „Alibi-Einheiten“, von denen an dieser Stelle schon oft die Rede war, sind es aber, die das Fass endgültig zum Überlaufen bringen. Prinzipiell spürt man ohnehin genau, wann man auf dem schmalen Trainingswanderungsgrat unterwegs ist und ab welchem Zeitpunkt man die Geröllhalde auf der falschen Seite hinunterstürzt. Man muss es sich nur eingestehen und GENAU zum richtigen Zeitpunkt pausieren.
Sehr guten Sportlern sagt man manchmal nach, sie wären etwas trainingsfaul. Ich will es so bezeichnen: Sie sind nicht trainingsfaul, sondern klug. Denn sie wissen haargenau, wenn´s passt, wenn´s genug ist, und vor allem eines: Sie lassen sich im Training überhaupt nicht beeinflussen, und es ist ihnen auch vollkommen egal, wenn sie von irgendwelchen „IRGENDWELCHENS“ überholt oder gar stehengelassen werden. Weil sie wissen; im Wettkampf werden diese „IRGENDWELCHENS“ mehr als eingeholt von ihnen.
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