MaxFun Sports Laufsport Magazin
Der Reiz des Extremen
06.12.2010, 12:00:00
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Da ist zunächst einmal das Herausstechen aus der Masse, das Anderssein, das Verrücktsein, das Besondere.Wer für nächstes Jahr seine erste Teilnahme an einem Frauenlauf, Halbmarathon oder gar Marathon plant, gilt in der Firma schon als ein bisschen "aha" - vorausgesetzt, dort läuft nicht die halbe Belegschaft kontinuierlich um die Wette. Wer sich gar an einem Ironman versuchen möchte, ist nicht nur gut beraten, sich gut beraten zu lassen, sondern gilt überhaupt als "Irrer" - meist positiv besetzt dieser Begriff. Nicht immer allerdings, das musste der Autor dieser Zeilen neulich wieder einmal selbst feststellen. Gilt er doch in bestimmten Kreisen immer noch als "abartig" oder irgendwie schon "sehr anders", wenn jemandem, der so absolut nichts mit Sport am Hut hat, auffällt, dass er rasierte Beine hat. Und ein Mann ist, wohlgemerkt. Warum denn das, um Gottes Willen, ob man denn vom andern Ufer sei? Und wenn schon, meine Damen Volksschullehrerinnen, sind wir nicht ein wenig zurück, wenn das noch aufregte? Aber nein, man sei schlicht Radfahrer, und als solcher auch stolz auf definierte Waden, die mit "einem Affen" einfach grauslich aussehen, zumal man sich auch nicht in der Gruppe der radfahrenden GenossInnen sehen würde ohne glatte Haut. Und der Berglauf im grauen Morgengrauen, als alle anderen SeminarteilnehmerInnen noch selig schlummerten, auch der wurde schief angesehen, so, als ob man aus einer anderen Welt käme. Doch gerade wir Ausdauerfreaks passen scheinbar nur in diese Welt, in der alles so normal scheint für uns; begeben wir uns dann in die "andere" Welt, wollen wir manches Mal unsren Äuglein nicht trauen, wie weit die Einstellung der Spezies "da drüben" doch von der unsrigen entfernt ist. Und da war er dann wieder, der Stolz, seit vielen Jahren wahrscheinlich doch ganz anders zu sein. In den Anfängen wurde man ausschließlich belächelt in seinen bunten Laufhosen, jetzt tun´s schon viel mehr, aber irgendwie doch noch unglaublich wenige. Die Teilnahme am ersten Marathon - vor bald 25 Jahren - stempelte einen zum krassen Außenseiter, der entweder mit Kastanien beschossen oder ob seiner Ausdauer und seines sportlichen Aussehens bewundert wurde. Viele unter uns, die sich - weil sie einfach nicht ihren 300. Marathon laufen wollten - in den späten Jahren des Lauf-Seins noch weiteren Distanzen widmeten, vom 100-km-Lauf angefangen über 24-Stunden-Läufe oder -Radrennen hin zum Triple-oder Zehnfach-Ironman. Nicht nur der Wahnsinn, der uns trieb, die Andersartigkeit gegenüber dem Rest der Welt, dieses Erstauntsein oder auch der Ekel ob so viel sportlichem Ehrgeiz - es war und ist einfach Sucht. Sport- und Bewegungssucht, dieser Drang, die Müdigkeit, das "Kaputtsein" nach getanem Training oder Wettkampf zu spüren, ja spüren zu müssen, dieser Drang wurde bisher nicht schwächer, sondern immer stärker. Die Sucht, die Suche nach dem Sich-Spüren, bis in die letzte Faser des Körpers, jeden einzelnen Muskel, die Lungen müssen brennen, keine höhere Atemfrequenz mehr möglich; oder aber der Verfall in die Monotonie, in den unendlichen Rhythmus des Schrittes, des ruhigen, gleichmäßigen Atmens, des Herzschlags, in den Rhythmus der Welt, des Seins schlechthin; nur wer sich in seinen allertiefsten Abgründen kennengelernt hat, weiß, was hier gemeint ist. Sucht, Anderssein, Sich-Spüren, das ist es, was uns immer weitertreibt, immer weitertreiben muss und wird. Viele hoffen, damit irgendwann das "Warum" zu finden, kurz zu sehen, manche denken, wenn sie am letzten Drücker waren, genau das aufblitzen gefühlt zu haben; und es werden täglich mehr.. Christian Kleber (MAS) Link: www.MaxFun.cc |