Kaum einer, der noch mit einem Stahlrad am Start steht, und wenn, dann wird er ausgelacht!
Spätestens seit dem Zeitpunkt, als der Protagonist dieser Geschichte in einem bekannten Studenten-Cafe 3,70 Euro (also etwa 50,-- Schilling) für einen mittleren Kakao (Mischung aus Milch, Wasser und Kakaopulver) gezahlt hat, hat er zu denken begonnen. Nicht deshalb, weil das heiße Getränk in einem Pappbecher gereicht wurde, nicht deshalb, weil er nicht bedient wurde, sondern deshalb, weil er keinen Platz finden konnte in diesem Cafe, also eine Unmenge an Menschen genauso viel oder mehr für mehr oder weniger nichts bezahlte. Und sich überlegte, ob nun schon Gott und die Welt von allen guten Geistern verlassen war. 50,-- Schilling hätte man vor einigen Jahren für ein Drei-Gänge-Menü bezahlt, zu Mittag zwar, aber doch gerade noch. Sie meinen, alles ist teurer geworden, und Euro und Schilling kann man nicht miteinander vergleichen? Da haben Sie Recht, nur verdienen tun wir nicht mehr. Das Mädel hinter dem Tresen des Cafes verdient 800,-- pro Monat, auf Honorarnotenbasis, versteht sich. Damit kann es sich mit Ach und Krach die Wohnung und ihr Studium finanzieren.
Szenenwechsel,
Marathonlauf in der Hauptallee am 25. Oktober 2009. Kaum eine(r), die/der nicht das neueste Top-Equipment anhat, kaum eine(r) ohne Stützstrümpfe, kaum eine(r) ohne Trink-Belt mit Getränken und Gels aller Art. Zweifelsohne ist so ein Gel ein toller Energiespender, oder aber ist es so, dass wir uns einreden lassen, dass in einem schön geformten Plastikfläschchen statt hochwertig zusammengemischten Kohlenhydraten mit tausenden von unbedingt notwendigen Mineralstoffen schlicht Zuckerwasser drinnen ist, das allerdings (s)einen unfassbar stolzen Preis hat? Und ist es nicht so, dass wir uns bloß einreden lassen, dass das sündteure und (zugegebenermaßen) recht schöne Material schneller macht? Sehen Sie sich mal Ergebnislisten von Läufen vor 15 Jahren und jetzt an! Mit Leistungen, die heute leicht für einen Stockerlplatz reichen, ist man früher bestenfalls unter die ersten 20 gekommen. Liegt das jetzt an den wesentlich besseren Laufschuhen, dem nicht ganz billigen ausgeklügelteren Trainingsplan des Top-Experten oder an der viel, viel, was sag ich, vieeeeel besseren Sport-Nutrition? Ich weiß es nicht.
Szenenwechsel, Triathlon.
Kaum einer, der noch mit einem Stahlrad am Start steht, und wenn, dann wird er ausgelacht! Wer nicht mindestens einen Carbonflitzer mit Aero-Laufrädern hat, einen Neo um 500,-- und ein Laufkäppi um 60,-- hat, darf gar nicht mehr starten. Es ist ja auch zu gefährlich, der Stahlrahmen könnte brechen, außerdem geht soviel Kraft beim Treten verloren, weil die alten Rahmen überhaupt keine Seitensteifigkeit aufweisen können, und, und, und. Wir lassen uns für blöd verkaufen, bzw., wir verkaufen uns doch selbst für blöd, weil wir uns ja dauernd selbst verkaufen müssen! Wenn vor 15 Jahren einer dahergekommen wäre mit einem Rennrad um 80.000,-- Schilling, hätten wir ihn wahrscheinlich…(darf ich hier nicht schreiben), heute sind Räder ab 5.000,-- Euro ganz normal. Die Welt ist verrückt geworden, und wir spielen alle mit! Wie wär´s, wenn wir uns aus Solidarität zu unserem Verstand in nächsten Jahr nur noch in Uralt-Klamotten an den Start stellten, dafür mehr und härter trainierten und uns nicht dauernd nur vom Gepiepse unseres 1.000-Euro-GPS-Systems (das ja unbedingt notwendig ist, sonst verlaufen wir uns ad hoc, sobald wir aus der Eingangstüre treten) leiten ließen und stattdessen wieder Spaß an dem Ganzen hätten?
Christian Kleber (MAS)
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