MaxFun Sports Laufsport Magazin

Race across America 1994

10.06.2009, 12:00:00
Foto:
RAAM

Die Euphorie war groß, das Wissen über das, was da kommen sollte kaum vorhanden aber wir waren fest entschlossen, den Kontinent radelnd zu überqueren.

Im Frühjahr des Jahres 1994 erhielt ich einen Anruf vom damals schon innerhalb der Laufszene bekannten Buchhändler Lothar Laaber. Lothar hatte immer schon innovative Ideen, teilweise etwas seltsame aber oft auch sehr interessante. Dieses Mal sollte es allerdings etwas sein, das damals schon ein Mythos war: Das „Race across America“! Seit kurzem waren dort auch Teams zugelassen und noch kein einziges Österreichisches hatte dieses Abenteuer gewagt. Die Frage ob ich dabei wäre, war sofort beantwortet. Zwei andere hatte Lothar auch schon gefunden: meinen alten und besten Freund Kurt Mitschko, damals schon mehrfacher Ironmanfinisher sowie Franz Kaserer, einen Zahnarzt aus Salzburg.  

Die Euphorie war groß, das Wissen über das, was da kommen sollte kaum vorhanden aber wir waren fest entschlossen, den Kontinent radelnd zu überqueren. Unsere Vorbereitungen waren skurril. Ein Wohnmobil für 14 Personen, 10 Betreuer, 2 Vans, hunderte Kilos an Nudeln und sonstigen Lebensmitteln. Lothar war auch überzeugt, dass man mindestens 3 Paar Radschuhe in verschiedenen Größen bräuchte, würden doch aufgrund der extremen Belastung die Füße anschwellen. Die 14 Stunden Flug nach Los Angeles waren im Rückblick das Härteste an dem ganzen Unternehmen.  

Dort angekommen, packte sogar mich das Rennfieber. Kurzfristig dachte ich tatsächlich am härtesten Radrennen der Welt, wie es die Veranstalter nannten. teilnehmen zu dürfen. Die paar Tage vor dem Start ließen mich aber langsam ahnen, um was für eine Veranstaltung es sich hier handelte. Die eigenartigsten Typen liefen dort herum, kaum einer sah aus wie ein Radfahrer, die meisten waren Mischungen aus Ökofreaks und Hobbysportlern, einige wenige machten den Eindruck, dass sie wüssten was Sport sei. Am Start sollte sich dann aber herausstellen, dass ich mich zumindest was die Leistungsfähigkeit betrifft, geirrt hatte. Das gesamte Starterfeld sprintete förmlich los, als handelte es sich um ein kurzes Kriterium und nicht um ein Rennen über rund 5000 Kilometer.  

Nach wenigen Stunden waren wir an der 10 Stelle von 13 Teams und ziemlich frustriert, begannen nur mehr zu rechnen, wie schnell wir sein müssten, um nicht aus der Karenzzeit zu fallen. Als am ersten Nachmittag, als Kurt vom Behindertenteam überholt wurde (ein Beinamputierter mit Aluminiumprothese radelte kalt an ihm vorbei) und am frühen Abend die Damenstaffel an mir vorbeifuhr, wurde die ganze Sache bedenklich für uns. Wie mussten überlegen und das Rennen ernster nehmen, wollten wir noch irgendeine Chance haben, an der Ostküste anzukommen. Am ersten Abend hatte ich dann auch den entscheidenden Fehler erkannt: Die anderen wechselten in wesentlich kürzeren Intervallen. Sobald wird das auch taten, waren wir wieder im Rennen, überholten den Einbeinigen und die Damen und hielten uns tapfer rund um Platz 10. Am Ende sollte es der elfte Platz werden.

Das Rennen an sich war eine Enttäuschung. Eigentlich nichts als einsames Radeln über tausende Kilometer und entsetzliche, grindige Atmosphäre im Wohnmobil. Wir hatten dennoch unseren Spaß und freilich würde ich diese Erfahrung nie missen wollen. Die Mojave Wüste, die Rocky Mountains, die unendlichen Geraden von Oklahoma, die quakenden Kröten, die sich nachts anhörten, wie ein Konzert aus zehntausenden Stimmen, Lothars tägliches Gulasch, Kaserers seltsames Radeln mit einer Übersetzung wie ein Radballer und Kurtis ewiges Lachen über die dämlichsten Fauxpas, die uns passierten. Und die verzweifelte Suche nach einem Busch, hinter dem man seine Notdurft verrichten konnte und hinter dem dann schon einer von den anderen 13 Mitbegleitern hockte - das Wohnmobilklosett war ab dem zweiten Tag verstopft und blieb es bis zum Ende des Rennens.  

Die Zielankunft in Georgia sollte uns dann entschädigen, war aber unfassbar frustrierend. Wir kamen irgendwann am Vormittag an, es regnete. Plötzlich erblickte uns ein Männlein mit einem Fähnlein, stoppte uns und lief vor uns her. Dann fuhren wir unter einem wackeligen Zieltransparent durch, das nicht breiter als ein Fahrrad war und wurden von ein paar Funktionären, die entweder gerade aufgewacht waren oder etwas zu viel gefeiert hatten, kurz geehrt – und das war es: „Das härteste Radrennen der Welt“.

Aber schön war es doch und ich denke auch heute noch gerne daran. Danke Lothar, dass du alles so toll organisiert hast – ohne dich wären wir nicht dorthin gekommen!  

Dr. G. Heidinger MaxFun.cc

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