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Kant oder der tägliche Spaziergang
08.12.2008, 12:00:00
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Universität Wien |
Die Schwierigkeiten der Lektüre Kants liegen aber nicht in einer eventuellen Dunkelheit der Ausdrucksweise, wie dies bei vielen Philosophen der Fall ist oder im Gebrauch komplizierter Fachausdrücke, sondern lediglich in Kants Bemühen, präzise, klar aber ohne jede Vereinfachung zu denken und zu schreiben. Die trockene Präzision von Kants philosophischem Denken lässt sich aber auch in seinem Leben wiederfinden. Wie von wenigen anderen Philosophen kann man von ihm durchaus behaupten, dass er seine eigene Philosophie auch tatsächlich selber gelebt hat. Er verkörperte sozusagen den Prototyp des Gelehrten und sein Bildungsweg verlief vom Gymnasium über das Studium hin zum Universitätsprofessor. Er führte allerdings ein völlig normales, von Aufregungen fast gänzlich verschontes Leben. Weder reiste Kant noch war er dazu bereit, Angebote von Professuren in anderen Städten wahrzunehmen. Sein Leben lang blieb er in Königsberg, verharrte gewissermaßen in der Provinz, die er bestenfalls im Geiste verließ, indem er begeisterter Leser von Reiseberichten war. Sein Wissen über fremde Länder wurde dadurch derart umfassend, dass so mancher ihn für einen weitgereisten Menschen hielt. Immanuel Kant führte ein derart schrulliges Leben, das sich in zahlreichen Anekdoten niedergeschlagen hat. Sehr bekannt ist z.B. sein Zwang zu Pünktlichkeit und Pedanterie. Die Ordnung seiner Schriften hatte Kant sich auch zu seinem Lebensgrundsatz gemacht, was zu seinem berüchtigten Tagesablauf geführt hatte. Um fünf Uhr Morgens stand Kant auf, selbst wenn er weiter schlafen wollte, musste ihn sein Diener zwingen aufzustehen. Dem äußerst sparsamen Frühstück folgte die Arbeit an seinen Werken und Vorlesungen. Am Nachmitttag traf Kant sich mit Freunden aus der besseren Königsberger Gesellschaft zu einem gemeinsamen Essen. Um Punkt sieben Uhr aber pflegte Kant seinen berühmten Spaziergang anzutreten, nach dem, so erzählt man sich, die Königsberger ihre Uhren stellten. Sollte einmal die Kirchenuhr eine Minute von Kants Auftauchen an einer bestimmten Stelle seines Spaziergangs abweichen, war man sicher, dass nicht Kant zu früh oder spät dran war, sondern nur die Uhr falsch gehen konnte. Nach dem Spaziergang las er noch ein wenig, um danach um Punkt zehn Uhr zu schlafen, nachdem er sich auf komplizierte Art zugedeckt hatte. Wichtig war ihm darüber hinaus, dass er gerade auf dem Rücken liegend einschlafen musste. Wenngleich die meisten von uns einen solchen Tageslablauf nicht nur skurril, sondern auch absurd und einschränkend empfinden werden, bleibt doch eines daran zu bewundern: Die unbeirrbare Konsequenz und Disziplin, die uns hier ein großer Denker vorgelebt hat. Einen kleinen Teil dieser Disziplin könnten wir sicherlich das eine oder andere Mal gut gebrauchen, wenn wir keine Lust und Motivation für unseren Zen-Lauf haben. Denken wir in einem solchen Fall an Kant und laufen wir los – wir brauchen uns ja danach nicht auf komplizierte Weise zu duschen oder zuzudecken! Dr. Günter Heidinger |