Invasion der Seelenfänger

Wer sich ein wenig durch das Internet „googelt“ und seine Suche um die Begriffe Esoterik, Sekten, Geheimbünde, Religion etc. kreisen lässt, wird bald entweder wirr im Kopf oder zu der Erkenntnis kommen, dass offenbar eine Invasion der Seelenfänger eingetreten ist.

Unzählige Möglichkeiten werden angeboten, wie der Weg zum Glück, die Erlösung, die Wahrheit und wer weiß was noch alles gefunden werden kann. Fast immer ist es so, dass es dafür aber notwendig ist, irgendeinem Verband beizutreten bzw. bestimmten dogmatischen Richtlinien zu folgen. Nicht selten finden sich Gebote, Verbote und Regeln, die einzuhalten, wahrscheinlich nicht einmal dem Weltenlenker persönlich möglich sind.

Ein ähnliches Bild bietet sich, wenn man in Buchhandlungen die entsprechenden Angebote durchforstet. Vom „Pinguin-Prinzip“ über „Kabbala für Anfänger“ bis zum „Kochen in die Erlösung“ kann man fast alles finden. An jeder Ecke, auf jedem Geldschein lauert eine Verschwörung und die Geheimbünde feiern fröhliche Auferstehung.

Nun soll keinesfalls an dieser Stelle der Zeigefinger erhoben werden oder jemand daran gehindert werden, sein Glück zu finden oder zumindest sein Unglück zu minimieren, dennoch aber kann es sich lohnen ein paar Gedanken anzustellen:

Wo Regeln aufgestellt werden, sind Konsequenzen nicht weit, wenn diese allerdings den Charakter von Bestrafung bekommen, bzw. gar Furcht einflößen, so sind Bedenken angebracht. Wer es notwendig hat, gebrochene Regeln zu bestrafen, möchte oder muss Macht ausüben, braucht Kontrolle. Wer sich umgekehrt nur an Regeln oder Richtlinien hält, weil er Strafe oder Konsequenzen fürchtet, der wird im ersten Moment der Nichtkontrolle vom Weg abweichen.

Darüber hinaus scheint überall dort, wo andere ausgeschlossen werden oder dazu sogar noch die Ausgeschlossenen aber auch die, die gar nicht dazugehören möchten, als die Schlechteren, Bösen, Verlorenen etc. gesehen werden, etwas nicht zu stimmen. Wer Alleinansprüche erhebt, wer meint, dass es keine anderen Wege geben kann, der hat vielleicht etwas nicht ganz verstanden oder hat Furcht, etwas nicht verstehen zu können!

Es gibt nicht nur einen einzigen richtigen Weg, sondern so viele Wege, wie es Möglichkeiten gibt und auf welchem Weg es jemandem gut geht, soll dieser jemand selbst bestimmen, so lange er damit keinem anderen den Weg verstellt. Sich frei entscheiden heißt, sich mit dieser Entscheidung wohlfühlen, ohne Angst und ohne Furcht, ohne Drohung und ohne böse Konsequenzen. Wer allerdings in der einen oder anderen Lebenskrise oder Desorientierung dem nächstbesten Seelenfänger ohne Vorsicht und Überlegung folgt, der läuft Gefahr, gefangen zu sein und nicht mehr aus seinem Gefängnis heraus zu können.

Sollte es also unter Umständen einmal vorkommen, dass man einen besonders lauten, sehr verheißenden, lockenden Ruf vernimmt und das Interesse geweckt ist, so möge man kurz innehalten und bevor man den Entschluss fasst, dem Ruf zu folgen, seine Laufschuhe anziehen, sich auf einen Reflexionslauf[1] begeben und dann noch einmal überlegen!

[1] Siehe dazu: Die Techniken des Zen-Running

Dr. Günter Heidinger