MaxFun Sports Laufsport Magazin
Völlerei
10.10.2007, 12:00:00
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Schenkt man den Statistiken Glauben bzw. blickt man sich geflissentlich um, so wird rasch klar: Ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung ist übergewichtig. Unsere Umwelt wird immer dicker, nicht nur der Mensch auch Hund und Katz und sogar die Spatzen im Schweizerhaus werden von Jahr zu Jahr runder! So augenfällig ist diese Sache mittlerweile geworden, dass sogar politisch darüber nachgedacht wird, unsere feisten Mitbürger steuerlich zu belasten. Was soll man davon halten? Und vor allem, was tun wir dann mit den Spatzen? Freilich könnte man nun mit der alten – allerdings sich immer bewährenden – Antwort aufwarten, dass es doch lediglich mehr Bewegung sei, die diesbezüglich helfend sein kann. Dass eine solche Einsicht alleine indes noch nichts bewirkt, wird sie nicht auch konsequent in die Tat umgesetzt, braucht nicht eigens betont zu werden. Dass das Problem auch an dieser Stelle nicht gelöst werden wird, sei vorausgesagt, ein kleiner Denkanstoß möchte aber dennoch angebracht sein. Schon Buddha hatte gewusst, dass jeder Genuss auch die Natur von Schmerz in sich trage, müssten wir ansonsten doch immer glücklicher werden, je mehr wir genießen. Dass allerdings die Menge einer Speise für das damit einhergehende Glücksempfinden verantwortlich ist, wird wohl niemand ernsthaft annehmen. Oder werden wir etwa mit jedem Teller Nudeln, mit jedem Stück Torte, das wir mehr in uns hineinfüllen glücklicher? Da scheint es schon eher sinnvoll, sich einmal in Ruhe den Rat Epikurs – der im Übrigen die Lust an und für sich ja sehr hochgehalten hatte – an einem konkreten Beispiel anzusehen bzw. praktisch anzuwenden: Gerade jetzt in der heißen Jahreszeit kann es oft dazu kommen, dass uns angesichts der vielen Eisdielen und leckeren bunten Sorten, die Begierde nach einer deftigen Portion überfällt. Bevor wir uns allerdings in die Reihe der Wartenden einordnen, könnten wir, Epikurs Rat folgend, die Frage stellen, was tatsächlich geschieht, wenn wir dieser Begierde nachgeben. Anfangs wird es ausgezeichnet schmecken, dieses Eis, vielleicht auch noch ein wenig länger, dann aber, so etwa nach dem halben Verzehr, wird sich unser ein kleines physisches Unwohlsein bemächtigen, das zunächst noch ignoriert schließlich unausweichlich ein psychisches nach sich ziehen und immer stärker wird, oder direkter formuliert: Das schlechte Gewissen verschafft sich Gehör! Diejenigen unter uns, die sich mithilfe gut eingeübter Abwehrmechanismen und deren jahrelangem Training gegen die Stimme des Gewissens gut abgehärtet haben, werden diese Phase auch noch locker packen. Spätestens aber dann, wenn sie ihr nächster Blick auf die Waage oder die nicht mehr passende Hose daran erinnert, dass es doch ein paar Eistüten zu viel waren, werden auch sie nachdenklich. Was wird aber, wenn wir uns – wieder auf Epikur hörend – fragen, was denn nun geschehe, sollte dieser Eisbegierde nicht nachgegeben werden? Wir werden zu Beginn ein bisschen Unzufriedenheit spüren, sehr schnell aber wird sich diese in ein Gefühl der Stärke verwandeln. Wir werden uns die sich der Völlerei ergebenden Mitmenschen ansehen, wie sie gierig ihre exorbitanten, turmhohen Eistüten und Becher verschlingen, unbeherrscht danach trachten, ja kein Tröpfchen verloren gehen zu lassen und plötzlich wird ein Lächeln unsere Züge erhellen und ein Gedanke wird ganz deutlich fühlbar: „Gewonnen“! Kein physisches, kein psychisches Unwohlsein, kein schlechtes Gewissen, ein paar Euro mehr in der Tasche und vor allem das unglaublich erhebende Gefühl der Stärke. Das Gefühl seine Wünsche und Triebe unter Kontrolle zu haben. Wenn wir diese Übung konsequent durchführen und die entsprechende Sicherheit erlangt haben, dann und wirklich erst dann - dann wird uns die nächste Eistüte, die wir uns schließlich nach reiflicher Epikureischer Überlegung doch genehmigen, einen echten, fassbaren Genuss bereiten. Freilich werden diejenigen, die jeder Gier nachgeben, der Völlerei ausgeliefert sind und nicht die Kraft haben, sich dagegen zur Wehr zu setzen, uns vorwerfen, wir können doch gar nicht genießen und kasteien uns unnötig, das aber wollen wir lediglich mit einem wissenden Lächeln quittieren. Dr. Günter Heidinger Dr. Günter Heidinger Link: www.maxfun.at |