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Extremsport versus Verlust der Körperlichkeit!

14.03.2006, 12:00:00
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Höhenbergsteiger, Ultramarathonläufer, Extremradfahrer und Ironman Triathleten sind Inkarnationen freiwilligen Leidens, die sich in ihrem ausgemergelten Erscheinungsbild demonstrativ gegen eine rein konsumorientierte Körpernutzung wenden und damit die „Verweichlichung“ des modernen Subjekts kritisieren.“

In nahezu allen Gesellschaftsbereichen ist ein Verlust von Körperlichkeit zu beobachten. Die Bewältigung räumlicher Distanzen war bis vor hundert Jahren noch eng gekoppelt an die Möglichkeiten unseres Körpers. Heute dagegen ist diese völlig körperfrei. Wir fliegen in einem Jet um die halbe Welt und sind dabei in einer kompletten Bewegungslosigkeit „gefangen“. Auch beim Autofahren sind es gerade noch einige feinmotorische Bewegungen der Beine und Arme bzw. der Augen, die uns die Überwindung von großen Distanzen ermöglichen.

Aber auch die Arbeitswelt hat gezeigt, wie die körperliche Aktivität sukzessive durch diverse Technologien ersetzt wurde. Es ist heute sogar schon bei Landwirten eher verpönt noch diverse Arbeiten händisch zu erledigen, und auch in traditionellen Berufen, bei denen körperliche Arbeit noch einen großen Stellenwert besaß, wird diese immer mehr durch Automatisierung und Technologien ersetzt.

In unserem Informationszeitalter ruht der Körper oft 8-10 Stunden in komplettem Stillstand vor einem Bildschirm, wäre hingegen aber genetisch eigentlich dafür konzipiert 75% der Wachzeit (also 12 Stunden) nach Nahrung zu suchen. Leider sind wir biologisch gesehen nicht über das Jäger- und Sammlerdasein hinausentwickelt.

„Der Extremsport stellt die Körperferne der Moderne systematisch auf den Kopf“ (Bette, 2004). Durch ein bewusstes Hinwenden zum Körper, wird hier ein Gegenpol gebildet. Die Extremen heben in ihrem Tun die Marginalisierung harter körperlicher Arbeit (wie sie es seit längerem in der westlichen Welt nicht mehr gibt) freiwillig auf. „Die Verausgabungsimperative des Extremsports stellen die in der Gesellschaft gültigen Maßstäbe für ein möglichst effektives Handeln somit auf den Kopf“ (Bette, 2004)

In der Industrie und Landwirtschaft wurde in den letzten 100 Jahren versucht, immer mehr Arbeitsabläufe effektiver und produktiver (mit weniger körperlichem Einsatz) zu gestalten, der Extremsportler versucht genau das Gegenteil. Die Anstrengung adelt sein Handeln, er geht bewusst den schwierigsten Weg. Die Arbeitsvermeidung ist genau das Gegenteil seiner Prämisse, nämlich Ziele zu verfolgen, die nur mit einem hohen physischen und psychischen Aufwand zu erreichen sind.

Der Aufwand geht sogar bis zum selbst auferlegten Martyrium. „Schmerzen werden nicht als Negativbotschaften wahrgenommen, die es in jedem Fall zu vermeiden gilt; sie sind vielmehr kalkulierte Bestandteile eines spezifischen Körperprogramms, das in scharfem Kontrast zu Medikalisierung (=für alles gibt’s eine Pille…), Wellnessorientierung und Anstrengungsvermeidung der Restgesellschaft steht. Höhenbergsteiger, Ultramarathonläufer, Extremradfahrer und Ironman Triathleten sind Inkarnationen freiwilligen Leidens, die sich in ihrem ausgemergelten Erscheinungsbild demonstrativ gegen eine rein konsumorientierte Körpernutzung wenden und damit die „Verweichlichung“ des modernen Subjekts kritisieren.“ (Bette, 2004)

Bericht von Markus Ratz

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