MaxFun Sports Laufsport Magazin

Ist Hamburg eine Sportstadt?

13.01.2005, 12:00:00
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Umfrage: Was Veranstalter, Politiker, Manager und Trainer zur Entwicklung sagen.

Hamburg - Sportstadt Hamburg ist seit der gescheiterten Olympiabewerbung am 12. April 2003 das Schlagwort, das die Stadt und ihre Bürger bewegen soll. Mehr Großveranstaltungen, mehr Spitzensport - das sind die Stellschrauben, mit der Hamburg neues Profil gewinnen und eine erneute Olympiakandidatur vorbereiten will. Das Abendblatt hat sich bei Veranstaltern, Politikern, Managern und Trainern umgehört: Ist Hamburg schon eine Sportstadt? Das Fazit: Die Zahl erstklassiger Events hat zugenommen wie die (unverbindlichen) Bekenntnisse aus Wirtschaft und Politik zum Sport, in den Behörden wird aus Desinteresse zu oft noch gegen den Spitzensport gearbeitet, der gesellschaftliche Stellenwert des Sports ist seit 2003 nur marginal gestiegen. Und: Mit der Erhebung von Betriebskosten für die Nutzung öffentlicher Sportanlagen und der Streichung des Schulschwimmens droht der CDU-Senat die Basis des Hamburger Sports zu zerstören.

Die Umfrage:

Boris Capla (Geschäftsführer Freezers): "Sich Sportstadt zu nennen ist nicht schwer, es zu sein dagegen sehr. Als Profiklub sind wir ein gern gesehener Partner. Doch nun muß die Stadt die neuen Trends konsequent fördern. Um dem Eishockey-Boom gerecht zu werden, bedarf es Investitionen in neue Eisflächen. Nur so kann das Interesse erhalten und ausgebaut werden. Zur Sportförderung sollte sich die Stadt mehr mit Leuten austauschen, die im operativen Bereich tätig sind. Das würde aufwendige Marketingausgaben sparen."

Dr. Hans-Jürgen Schulke (Sportamtsleiter): "Weltweit nirgends gibt es so viele Großvereine (6 von 12 in Deutschland, die Red.) und so viele erstklassige Großveranstaltungen. Die wurden von über fünf Millionen Zuschauer verfolgt, viel mehr als Museen, Theater oder Konzerte besuchten. Mit 30 Millionen Euro sind deutlich mehr Mittel für den Sport im Haushalt des Senats ausgewiesen als 2001. Durch die Bewerbung für Olympia 2012 wurden Strukturen für die Zukunft geschaffen über die Stiftung Leistungssport bis zu den zehn neuen Landestrainerstellen. Auch die Politik nimmt den Sport stärker wahr, was sich im Sportausschuß und der neuen Marketing GmbH dokumentiert."

Werner von Hacht (Stevens Cyclocross Teams, Radveranstalter): "Viele Bezirksämter ziehen nicht mit. Zu oft werden uns bei der Organisation Steine in den Weg gelegt. Genehmigungen brauchen oft monatelangen Vorlauf und werden mit Unmengen von Auflagen verknüpft. Die Stadtväter wollen Spitzensport, aber sie tun zu wenig dafür."

Rainer Blankenfeld (Leichtathletik-Veranstalter): "Ich sehe kein Konzept. Das Know-how aus der Olympiabewerbung wird nicht genutzt. Das Wissen versandet." Sebastian Franke (Ruder-Veranstalter): "Es fehlt das Dach, die zentrale Initiative. Zu viele Stellen wurschteln nebeneinander her. Es bewegt sich zwar etwas, aber reicht das Tempo?"

Wolfram Götz (Marathon-Manager): "Wenn wir Veranstalter alle aufhören, bleibt nicht viel übrig von der Sportstadt Hamburg. Doch nur über leistungssportliche Highlights ist ein Prestigegewinn möglich. Die vorhandenen Mittel müssen gezielter eingesetzt werden; zum Beispiel in professionelle Strukturen bei Training und Ausbildung."

Dirk Lange (Schwimmtrainer der SGS): "Hamburg ist eine Sportstadt für Veranstaltungen und Breitensportler, nicht für Spitzensportler. Da fehlt es den Organisationen an Kompetenz."

Ingrid Unkelbach (Olympiastützpunktleiterin): "Für den Spitzensport sind viele Dinge auf einen guten Weg gebracht worden. Betrübt bin ich über Entwicklungen im Breitensport und vor allem im Schulschwimmen."

Ingo Heidebrecht (2. Vorsitzender Hamburger Hockey-Verband): "Die Olympiabewerbung hat gezeigt, daß ein Schulterschluß zwischen Sport und Wirtschaft möglich ist. Nach dem Scheitern sind Erosionserscheinungen unübersehbar. Das zeigt sich am Weggang einiger Spitzenathleten. Dabei giert diese Stadt nach Spitzensport und neuen Großveranstaltungen."

Christian Hinzpeter (Agentur Upsolut): "Nirgends gibt es derart viele wiederkehrende hochrangige Sportereignisse. Um Olympia noch mal einwerben zu können, muß die Stadt Lobbyarbeit lernen, um sich einen nachhaltigen Ruf zu erarbeiten, muß man ständig seine Visitenkarte abgeben - weltweit! Dazu gehört, zu den großen Events die Entscheidungsträger im internationalen Sport einzuladen, sie aber auch zu besuchen. Auch die Wirtschaft muß am Ball bleiben. Sie fordert stimmige Konzepte für weitere Top-Events. Obwohl es die gibt, bleiben neue Engagements rar, bestehende wurden gekündigt."

Frank Mackerodt (Agentur Act): "Der Sport ist ein Thema für die Politik geworden, das war hilfreich. Im Gegensatz zu Berlin fehlt es aber an Welt- und Europameisterschaften."

Werner Dobritz (SPD-Sportpolitiker): "Der Schub für den Sport kommt vor allem aus den beiden Arenen. Viele Projekte wie der Masterplan Volkspark sind dagegen eine Luftblase; konsequenter wäre es, die Jahnkampfbahn stadtpark-verträglich zu einem Leichtathletik-Stadion auszubauen. Der Senat weiß in vielen Bereichen nicht, was er will, welcher Bedarf wo besteht."

Dr. Verena Lappe (GAL-Sportpolitikerin): "Der Senat verspielt im Sport die überparteiliche Zusammenarbeit, die bis weit nach der Olympiabewerbung 2003 bestand und funktionierte - zum großen Schaden der Stadt und der eigenen Ziele. Betriebskostenerhebung, Bäderschließungen und das Streichen des Schulschwimmens stellen die sportliche Grundversorgung in Frage - mit gefährlichen sozialen und gesundheitlichen Folgen. Bereits 34 Prozent der unter 14jährigen können nicht schwimmen, dabei gehört Baden zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen. Kindern in dieser Stadt fehlen zudem immer mehr Bewegungsmöglichkeiten und -Stätten. Sportstadt Hamburg: Das ist mehr Schein als Sein." wag/rg

erschienen am 12. Januar 2005 in Sport

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