MaxFun Sports Laufsport Magazin
Versuchen wir es doch so! (Folge 6)
23.11.2004, 12:00:00
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Der erste Arbeitsmorgen nach New York: Irgendjemand will unbedingt kalte Frischluft durchs Büro ziehen lassen. Markus fröstelt, als er zu seinem Schreibtisch geht. Fast alle Mitarbeiter sitzen bereits vor einem Bildschirm und formatieren ihre Gedanken für den Tag. „Markus, mein Freund“, begrüßte ihn John mit einer Kaffeetasse in der Hand im Vorbeigehen. „Alles klar in Manhattan?“ John erwartet keine Antwort und kriegt auch keine. Immer wieder wandert Markus in Gedanken zur letzten Nacht und zu seinem Entschluss, ein neues Leben beginnen zu wollen. Er erinnert sich an die Worte von Dr. Pokorny, dem behandelnden Arzt von Peter, der zu einem Leben ohne Rauch und dafür mit mehr Bewegung geraten hat. Mehr Bewegung. Laufen. Warum nicht laufen? Es klingt verrückt für Markus. Laufen. Wie eine jener absurden Ideen, die immer dann auftauchen, wenn sie im Team stundenlang erfolglos über der Lösung eines Softwareproblems brüten. „Versuchen wir es doch so“, schlägt dann jemand einen nicht ganz ernst gemeinten Zugang vor und alle runzeln skeptisch die Stirn. „Ja, versuchen wir es so“, sagt dann noch jemand, und plötzlich taucht ein neuer Weg auf, den zuvor keiner gesehen hatte. Also Laufen. Ja, das versuche ich. Gleich heute Abend. Laufen. Absurd, oder? Markus ist erleichtert, der Vorsatz alleine bringt ihm die Konzentration zurück. Ein klärendes Gespräch mit seinem Chef am Nachmittag stellt wieder eine einigermaßen normale Beziehung zwischen den beiden her. Horst Schneider war etwas distanziert, aber das ist nicht ungewöhnlich. Mit etwas Abstand betrachtet war die Sache in New York nun auch wieder nicht so schlecht gelaufen, meinte er. „Immerhin gibt es noch Hoffnung“, sagte er zu Markus. „Du weißt, wir erwarten uns viel von den Wireless Solutions, da sind wir natürlich alle etwas angespannt.“ Markus überlegt zwischendurch, wie er es mit dem Laufen anstellen soll. Irgendwo im Kellerabteil muss er doch Sportschuhe haben ...? Es stürmt fürchterlich auf dem Nachhauseweg. Regenschauer wirbeln durch die Luft und treffen ihn wie kleine Geschosse ins Gesicht. Der Jetlag sitzt noch in seinen Knochen. Normalerweise hätte Markus jetzt Hunger. Aber heute hat Laufen Vorrang. Die Idee, einen Lauf zu machen, ist für ihn wie ein Ticket, das er unbedingt einlösen muss. Gleich heute, gleich jetzt. Morgen wäre es zu spät, morgen ist die große Besprechung, danach ein Abendtermin mit Geschäftspartnern, der ihn auch noch übermorgen ermüden wird... Also jetzt laufen. Schnell, schnell, fast heimlich zieht sich Markus um, sucht seine Sportschuhe und verlässt noch einmal die Wohnung. Die Straßenbeleuchtung spiegelt sich in den Pfützen und auf dem nassen Asphalt. Bei jedem Schritt spritzt das Wasser hoch, schon bald spürt er, wie die Nässe zu seinen Füßen vordringt – egal. Trab, trab, trab, einen Schritt nach dem anderen beginnt Markus auf die Straße zu setzen. Der Sturm der vergangenen Tage hat sich etwas gelegt. Schneidend zieht er die metallisch-kalte Luft in seine Lungen. Nach fünf Minuten eine kleine Gehpause. Seltsam: Er ist nicht der einzige Läufer, der bei diesem unfreundlichen Wetter unterwegs ist. Zwei Minuten gehen, und weiter, fünf Minuten laufen, trab, trab, trab. So hat Markus es gelesen, laufen-gehen-laufen, so soll man es am Anfang machen. Er dreht um. Noch einmal zwei Minuten gehen, fünf Minuten laufen. Eine Windböe fährt ihm plötzlich in die Beine, treibt ihn jetzt heftig vorwärts. Trab, trab, trab - 15 Minuten gelaufen! „Was hast du gemacht?“, fragt Doris überrascht, als sie den zerzausten Mann in nassen Schlabberhosen, schmutzigen Tennisschuhen und mit rotem Gesicht in die Wohnung kommen sieht. „Laufen“, schnauft Markus stolz. Doris grinst, Markus geht unter die Dusche. Niemals hätte er sich träumen lassen, dass auch er einmal zu den Menschen gehören würde, die am Laufen Gefallen finden. „Papa wird Marathonläufer, Papa wird Marathonläufer!“, trällert Felix durch die Wohnung. „Das glaube ich kaum“, lacht Markus. Erstmals seit Wochen spürt er eine ruhige, angenehme Wärme in sich aufsteigen. Er spielt mit dem Feuerzeug, legt seine Beine auf die Couch, und ja, eigentlich würde er jetzt rauchen. Aber er genießt es, wie er seinen Körper spürt, seine Muskeln kribbeln und es leise summt im Kopf. Nein, heute brauche ich keine Zigarette. Ich brauche überhaupt keine Zigarette mehr. Heute ist Markus stark, und heute ist es ihm nicht einmal schwer gefallen. Vorschau Am 30. November: Und Doris? Doris du schaffst es |