MaxFun Sports Laufsport Magazin

Perfekte Welle (Folge 9)

14.12.2004, 12:00:00
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Der Auftauvorgang der Gäste war bereits fortgeschritten.

Markus, der Computerfachmann, arbeitet viel und träumt von einem Haus am Stadtrand, in das er mit seiner Freundin Doris und den beiden gemeinsamen Buben Thomas und Felix ziehen will. Eine wichtige Projektpräsentation in New York verläuft nicht nach Wunsch. Sein Freund und Arbeitskollege Peter erleidet einen Herzinfarkt. Markus beschließt daraufhin, gesünder zu leben und beginnt zu laufen. Doris freut sich darüber, weil auch sie seit drei Monaten joggt. Als Markus nicht zum Weihnachtseinkauf mit will sondern laufen geht, kommt es zum Streit.


Wie eingesperrt hämmert Markus diese Liedzeile durch die Stirnhöhlen, die irgendwann im Lauf der gestrigen Weihnachtsfeier fast alle mitgebrüllt haben – „die perfekte Welle, der perfekte Tag, lass dich einfach von ihr tragen ...“ Die Abbauprodukte dieses Vorabends scheinen sich in mikroskopisch kleine Rasierklingen verwandelt zu haben und sind dabei, seinen Körper zu durchwühlen, fahren durch die Windungen der Gehirnmasse, rauen die Innenwände der Blutgefäße auf, durchsäuern die Muskelfasern, reißen Schlaglöcher in die Nervenbahnen. Alkoholische Erinnerungsreste irrlichtern in den Haupt- und Nebenverkehrsbahnen seines Kreislaufs herum. Man könnte auch sagen: Markus hat einen Kater.

Schlaglichter und Schlagseiten der Firmenweihnachtsfeier blitzen noch durch seinen Kopf. Doris hat den hexenschussgeplagten Markus begleitet, wenn auch missmutig nach dem jüngsten Streit, aber so ist sie. Alle Mitarbeiter waren dabei, die meisten mit ihren aktuellen Partnern, dazu viele Kunden und Freunde der Firma. Und seltsam, irgendwie schien es, als hätte jeder Zweite vom Laufen geredet.

Im Besprechungsraum, funkelnd für die Feier vorbereitet, war der gruppendynamische Auftauvorgang der geladenen Männer und Frauen bereits fortgeschritten. Stets standen die Catering-Burschen mit frischen Happen und vollen Sektgläsern zur Stelle; das Catering legte dem späteren Kater eine professionelle Grundlage. Horst Schneider, der Firmenchef, war aufgekratzt, recht fein gedresst und gestresst. Überall glitzerte es ein bisschen mehr als nötig. Markus musste an die coole innovativ company in New York denken, in der er mit Schneider die Wireless Solutions vorgestellt hatte. Der Vergleich fiel, trotz unangenehmer Erinnerungen an die Präsentation, nicht zugunsten der aktuellen Party aus.

Endlich ergriff der Chef das Wort, versuchte mit einer Geschichte von der Spielzeug-Eisenbahn, die er als kleiner Bub bekommen hatte, heimelige Stimmung zu verbreiten (ein Rhetorik-Coach muss ihm das beigebracht haben), und verteilte nebst generellen Glückwünschen ein paar persönliche Komplimente. „Kein Wort über Peter“, ärgerte sich Markus. Die Rehabilitation seines Freundes nach dem Herzinfarkt verlief gut, im Jänner, so hat er von ihm erfahren, will er wieder zurück in die Firma - „Das hätte er doch erwähnen sollen!“ War er wirklich der einzige, der an Peter dachte?

Doris war indes in die Arme von John geraten, der nun der engste Mitarbeiter von Markus ist. John! Vor fast 20 Jahren hatte er London verlassen, in Wien ist er wegen Doris geblieben. Die beiden waren einige Zeit ein Paar. Jahre danach hat es sich ergeben, dass John in der gleichen Firma wie Markus an Projekten zu arbeiten begann. Markus hatte stets Vorbehalte ihm gegenüber. Alles schien ihm leicht von der Hand zu gehen, dabei war er sprunghaft, lässig und bisweilen nachlässig, dazu die Geschichte mit Doris ... „Internationale Erfahrung, Kreativität, Ideengeber“, so in etwa hat Horst Schneider den neuen Mitarbeiter damals der Mannschaft vorgestellt. Blablabla.

„Doris, mein Schatz“ – so redete John gerne – „hab ich dich nicht neulich beim Joggen gesehen?“ Seit sie läuft, wird sie regelmäßig darauf angesprochen. „Hast sehr locker ausgesehen. Trainierst du für den Marathon?“ Doris war überrascht. „Wie kommst du darauf?“ „Na ja, das machen ja jetzt alle so“, meinte er in seiner gewohnten Geringschätzung. „Ich laufe erst seit drei Monaten“, sagte Doris, ohne kundzutun, dass sie mit dem Gedanken ‚Marathon’ durchaus schon geflirtet hat. „Wäre ja noch genügend Zeit bis Mai“, so John. „Aber ich sage dir: Lass es sein. Das schaffst du nicht.“ Typisch John, der ewige Besserwisser, von dem man nie weiß, was er ernst meint. „Und warum sollte ich es nicht schaffen?“ „Tja, ich habe gesehen, was das heißt. In London bin ich ja gelaufen. Aber Doris, du musst robust sein für einen Marathon, du musst viel trainieren und dich plagen. Das ist nichts für dich, ich kenn dich ja.“ Sie ärgerte sich, dass sie sich immer noch über John ärgern kann. „Was soll das heißen: ‚Ich kenn dich ja’???“

Markus wanderte von einer Gruppe zur nächsten, zog genussvoll – Hoppala! – an einer Zigarette und, es ließ sich nicht vermeiden, auch er wurde in ein Laufgespräch hineingezogen. Jemand berichtete mit Stolz vom Florenz-Marathon, den er kürzlich gelaufen sei. Die Umstehenden erwiesen ihm Anerkennung, trugen mit Sektglas in der Hand die eine oder andere Anekdote bei. Markus fühlte sich in Stimmung, von seinen Laufanfängen zu erzählen, die Kreuzschmerzen kann man ja auslassen, aber acht Kilometer, die er mittlerweile schafft, davon darf man berichten. Jetzt gibt es Leute, die gerne für gute Stimmung sorgen und ihr Gegenüber schätzen, die würden sagen: „Schön, acht Kilometer in einem durch - dafür habe ich drei Monate lang gebraucht!“ Dann gibt es Leute, die bei jeder Gelegenheit einen kleinen Rangordnungskampf austragen wollen, die sagen: „Acht Kilometer, na ja, das haben wir neulich zum Aufwärmen gemacht.“ Wie bei einem Schnupfen, der nicht und nicht vergehen will, sondern sie überschüssige Gemeinheiten ab, als wäre es klebriges Nasensekret. In seiner Umgebung, das kam Markus immer öfter und auch jetzt unangenehm in den Sinn, kannte er sehr viele verkühlte Leute. Die Lautstärke der Musikanlage wurde in der Zwischenzeit gewechselt, die perfekte Welle kam langsam und unüberhörbar auf sie zu und begann hoch zu schwappen...

Ein paar Stunden später, am Morgen eines ganz und gar nicht perfekten Tages, fragte Thomas nicht ohne den Mund zu verziehen: „Hat Papa zuviel C2H5OH erwischt? Wenn ich den Promillewert wüsste, könnte ich mittels Halbwertszeit die Dauer der Alkoholisierung berechnen.“ „Toll“, bemerkte Markus mit bewundernswerter Geistesgegenwart. „Warum bist du bloß nicht für PISA getestet worden?“ Doris legte nach, in einem Tonfall, den man nur als süffisant bezeichnen kann: „Wie wär’s mit Laufen, Markus?“ Es dauerte eine Weile, bis ihre Worte in sein Großhirn einsickerten und die vorhersehbare Antwort ergaben: „Heute nicht ...“

Vorschau
Am 21. Dezember: Pläne drehen sich im Kreis

Doris du schaffst es

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