MaxFun Sports Laufsport Magazin
Marathon - das erste Mal!
12.09.2003, 12:00:00
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"Marathon-Finisher" gehört für viele Menschen als eine Art Untertitel auf die Visitenkarte. Jedes Jahr laufen weltweit über eine Million Menschen einen Marathon im Rahmen der vielen großen und kleinen Läufe rund um den Erdball. Seit Pheidippides mangels Handy und Internet nach Athen die Siegesbotschaft laufend überbringen musste und gleich darauf ins Marathon-Nirvana emporstieg, hat der Lauf über die 42,195km viel von seinem Schrecken verloren, aber dafür an Anziehungskraft gewonnen. Scheinbar kann dieses Unterfangen ja praktisch Jeder bewältigen. Beachtliche Leistungen von älteren Läufern, Übergewichtigen und auch von versehrten Sportlern lassen oft vergessen, dass ein Marathonlauf immer eine grenzwertige Belastung darstellt. Ein Marathonlauf ist kein Beitrag zur Gesundheitsförderung. Der Wettkampf ist aber oft die Motivation für viele Menschen, das ganze Jahr über vernünftig und damit auch gesundheitsfördernd zu trainieren. Um gleich mit einem Vorurteil aufzuräumen: es ist nicht Jedem vergönnt, auch mit fleißigem Training einen Marathon innerhalb des üblichen Zeitlimits zu schaffen. Noch weniger ist ein Marathonwettkampf für alle Menschen empfehlenswert. Schritt 1: Voraussetzungen prüfen Welche Voraussetzungen sollten nun für den 1. Marathon gegeben sein? Am wichtigsten ist natürlich Gesundheit. Auch wenn Sie sich im Alltagsleben gesund fühlen und keine Beschwerden haben, können bei der Belastung durch das Lauftraining und ganz besonders durch den Ehrgeiz im Wettkampf verborgene Probleme zutage treten. Wenn Risikofaktoren vorliegen, sollte in jedem Fall eine gründliche sportärztliche Untersuchung (inklusive Belastungs-EKG) absolviert werden. Wichtige Risikofaktoren sind: lange Inaktivität (letzter Sport in der Schule...), Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, Diabetes, starkes Übergewicht, Rauchen und auch eine entsprechende erbliche Belastung. Auch wenn keine der genannten Risikofaktoren vorliegt, sollten Laufbeginner über 40 Jahre, die lange keinen Sport gemacht haben, sich zuerst das "Pickerl" vom Arzt geben lassen. Weiters können natürlich auch orthopädische Probleme bestehen. Wenn das Knie wegen einer alten Schiverletzung schmerzt, dann wäre die Konsultation eines Sport-Physiotherapeuten oder auch Orthopäden dringend anzuraten. Falls der Beginn der Marathonvorbereitung außerdem überhaupt den Beginn des Lauftrainings bedeutet, sollte zusätzlich auch eine gewisse konditionelle Basis bereits vorhanden sein. Mit einem einfachen "Beginner-Lauf-Check" kann das überprüft werden: Laufen Sie fünf Minuten so langsam (!) wie möglich, also schon so, dass kurzzeitig kein Bein den Boden berührt. Am Ende der fünf Minuten messen Sie Ihren Puls. Liegt dieser höher als 180 minus Lebensalter, dann sollten Sie die Basiskondition für das Laufen mit schonenderen Bewegungsformen wie (Nordic-) Walken oder Rad fahren erarbeiten. Zu den Voraussetzungen für ein Marathontraining gehören auch gewisse zeitliche Möglichkeiten. Auch wenn Laufen praktisch überall und sehr zeitökonomisch betrieben werden kann, ist das Training neben 70-Stunden Job, Frau, Freundin, 5 Kindern, Hund und Katz kaum mehr unterzubringen. Alles im Leben kann man einfach nicht perfekt bewältigen, es ist oft eine Frage der Prioritätensetzung. Das Lauftraining sollte keinen zusätzlichen Stress-Faktor darstellen, sondern zumindest zwei Einheiten pro Woche sollten regelmäßig Platz finden. Eine alte Faustregel lautet: "Wer über mehrere Monate hindurch pro Woche die Marathondistanz aufgeteilt auf mehrere Einheiten trainieren kann, der kann sich auch einen Marathon zumuten." Wie bei allen Faustregeln gibt`s im Einzelfall vielleicht Abweichungen, aber als grobe Richtschnur kann dieser Grundsatz schon dienen. Übrigens, falls Sie Angst haben, beim Marathon Letzter zu werden: eine Marathonteilnahme kann man ruhigen Gewissens empfehlen, wenn Sie 10km unter 55 Minuten laufen können. Bei halbwegs regelmäßigem Training, in dem auch längere Läufe enthalten sind, dürfen Sie dann nämlich zumindest bei "normalen" Bedingungen mit einer Endzeit um die 4:30 spekulieren. Schritt 2: Ein konkretes Ziel setzen Nach Prüfung der Voraussetzungen ist der nächste Schritt die Formulierung eines konkreten Ziels. Dieses Ziel, z.B. "Finishen des Marathons unter 4 Stunden" sollten Sie zumindest im Hinterkopf immer parat haben. Laufen ist meistens schön, aber wenn Regen, Finsternis und Zeitmangel die Suche nach Ausreden sehr leicht machen, hilft ein konkretes Ziel immer den Faden nicht zu verlieren. Das Marathontraining ist für die meisten Läufer immer ein Kompromiss zwischen präziser, zielgerichteter Vorbereitung und den Anforderungen, die man als Läufer daneben (Familie, Beruf,...) eben auch noch erfüllen soll. Wenn eine Trainingseinheit einmal ausfällt, weil Ihrer Frau/Ihrem Mann am zehnten Hochzeitstag der gemeinsame Tempodauerlauf nicht kommunikativ genug erscheint, dann brauchen Sie nicht gleich zu resignieren. "Geradlinigkeit als Basis, aber Mut zur Flexibilität", könnte ein Leitmotiv auch für diesen Lebensbereich sein. Also nicht einfach drauflos rennen und schauen, was dabei herauskommt, sondern Weitblick und Planung sind gefragt. Schritt 3: Das Training planen Wenn Sie sich ein Ziel gesetzt haben, dann überlegen Sie, was man dafür alles können muss und welche Maßnahmen dafür notwendig sind. Im nächsten Moment sollten Sie Ihren aktuellen Ist-Zustand mit dem Soll-Zustand vergleichen. Wenn das Ziel ein 3-Stunden Marathon ist, muss man eben die 10km mehr oder weniger deutlich unter 40 Minuten laufen können. Wenn Sie jetzt bei 55 Minuten stehen, gibt es ein kleines Problem. Sie können nun das Ziel ändern oder an den Voraussetzungen arbeiten. Wenn Sie mit einer gewaltigen Leistungssteigerung spekulieren - Wunder gibt’s auch beim Marathontraining keine - dann müssen Sie nüchtern überlegen, woher denn diese Steigerung kommen soll. Wenn Sie schon seit Jahren im Durchschnitt 150km pro Woche trainieren und alle Reserven ausgelotet haben, woher soll denn dann noch eine Steigerung kommen? Je geringer der Aufwand (und je größer das Übergewicht), umso mehr ist eine erbrachte Leistung wert, weil Sie dann noch Reserven haben. "Belastungsreserven aufheben" ist ein Grundsatz aus dem Leistungssport, den sich auch viele Hobbyläufer mehr zu Herzen nehmen sollten. Also nicht gleich so viel und so hart trainieren wie irgendwie gerade noch geht, sondern den Körper schön langsam an zunehmende Belastungen gewöhnen. Nur dann und durch den Wechsel von Belastung und Erholung kommt es zu den gewünschten "Umbauprozessen" im Körper, d.h. nur so werden Sie wirklich besser. So hat sich auch immer wieder gezeigt, dass für die meisten Läufer das Laufen jeden zweiten Tag viel mehr bringt (und weniger Verletzungen) als fünf, sechs oder gar sieben Einheiten pro Woche. Wenn Sie den nächsten Marathon jedoch gewinnen wollen, wird das natürlich nicht ausreichen, aber dann sollten Sie sich sowieso zuerst die richtigen Eltern aussuchen und auch dann das Training über mehrere Jahre schrittweise steigern. Der einflussreichste Faktor ist auch im Ausdauersport die Veranlagung. So wie es eben "biologische Ausreißer" gibt, die 2,10m groß werden oder eine irrsinnig lange Nase haben, so gibt es eben auch solche Ausreißer, die einen Marathon ohne viel Training unter 2:30 laufen, ohne dass dabei unerlaubte Hilfsmittel im Spiel sein müssen. Überlegen Sie nun einmal kurz, was für Ihren Marathon nun entscheidend ist. Es geht beim Marathon nicht darum, ein kurzes Stück möglichst schnell zu laufen, sondern ein ziemlich langes Stück mit einer mittleren Geschwindigkeit ohne großen Einbruch durchzuhalten. Wenn Sie realistischerweise damit spekulieren, dass Sie beim Marathon mehr als 4 Stunden halbwegs gleichmäßig auf Asphalt laufen werden, dann ist der tägliche halbstündige Waldlauf dafür kaum mehr spezifisch als Sackhüpfen oder Tretbootfahren. Sie müssen Ihren Körper also einmal schrittweise an vor allem lange Belastungen gewöhnen, wobei das Tempo vorerst noch kaum eine Rolle spielt. Aus diesem Grund ist der lange, ruhige Dauerlauf auch die wichtigste Trainingseinheit der Woche. Fast alles Andere kann zur Not einmal ausfallen, aber der lange Lauf darf nie fehlen. Wenn Sie bisher kaum länger als eine Stunde gelaufen sind, steigern Sie diesen Lauf in der Dauer von Woche zu Woche um vielleicht 10 Minuten. Jede sprunghafte Belastungssteigerung muss vermieden werden, weder gleich doppelt so oft oder doppelt so lang trainieren! Planen Sie für eine ordentliche Marathonvorbereitung ca. 18 Wochen ein. Dieser Zeitraum ist einerseits noch überschaubar - auch im Spitzensport kann man einen Marathon nicht zielgerichtet über ein volles Jahr vorbereiten -, andererseits kann man in dieser Zeitspanne wirklich viel bewirken. Zuerst müssen Sie einmal soweit kommen, dass Sie zwei oder zweieinhalb Stunden langsam laufen können, ohne dass Ihnen das irgendetwas ausmacht. Das Tempo sollte dabei ungefähr, je nach Leistungsniveau, ca. 45 Sekunden bis eineinhalb Minuten pro Kilometer langsamer sein als Ihr geplantes Marathontempo. Wenn Sie sich nach der Pulsuhr orientieren, was sicher günstiger ist, dann sollte der Puls bei ca. 70/75% der maximalen Herzfrequenz liegen. Der Puls darf beim langen Dauerlauf bei gleich bleibendem Tempo ruhig etwas steigen. Je besser einmal die Grundlagenausdauer ist, umso geringer wird dieser Anstieg ausfallen. Genaue Richtwerte erhalten Sie, wenn Sie eine leistungsdiagnostische Untersuchung bei einem Institut durchführen lassen, wo Sie auch ordentlich beraten werden. Zur Trainingssteuerung weniger geeignet sind medizinische Befunde nach einer Fahrradergometrie. Wenn das lange, langsame Laufen einmal gut funktioniert, dann können Sie in weiterer Folge bei diesen Läufen die letzte halbe oder ganze Stunde etwas schneller laufen, das Tempo vielleicht bis in die Nähe des angepeilten Marathontempos steigern. Das wäre dann eine ziemlich heftige Einheit, aber auch eine sehr wirksame und marathonspezifische. Generell gilt im Marathontraining: nicht einfach (leere) Kilometer sammeln, sondern immer hinterfragen, was bringt das nun wirklich für den Marathon? Der lange Dauerlauf ist zwar die wichtigste Einheit, sie sollte aber nicht die einzige Einheit sein. So wie es auch unterschiedliche Energiebereitstellungswege gibt (v.a. über die Fette und die Kohlenhydrate), so sollten Sie für eine optimale Trainingswirkung im Training eine große Bandbreite an Intensitäten abdecken. Nicht immer gleich lang und gleich schnell trainieren, sondern neben dem langen, ruhigen Dauerlauf wäre als Ergänzung ein mittellanger (60 - 105 Minuten) und ein kürzerer (netto 30 - 45 Minuten), schnellerer Dauerlauf die ideale Ergänzung. Bei diesem schnelleren Dauerlauf sollten Sie das Gefühl haben, dass das Ganze schon recht zügig ist, dass Sie aber jederzeit eine deutliche Stufe schneller laufen könnten. Mit diesen drei Einheiten tun Sie schon sehr viel für Ihren Marathon. Schaut sehr simpel aus, aber man braucht die Dinge nicht unnötig verkomplizieren, die Wirkung ist das Entscheidende. Insgesamt sollte damit die Belastung von Woche zu Woche etwas gesteigert werden, was am besten durch das Ausdehnen der durchschnittlichen Dauer der einzelnen Einheiten gelingen kann. Jede vierte Woche könnte als bewusste Erholungswoche geplant werden, wo Sie nur ungefähr halb so viel laufen wie in der Woche davor. Die letzten zwei bis drei Wochen vor dem Marathon sollten Sie schon das Training schrittweise so reduzieren, dass Sie am Wettkampftag optimal ausgeruht sind. Während der letzten 3 - 6 Wochen vor dem Marathon lässt ein Halbmarathonwettkampf schon eine recht gute Prognose für den Marathon zu, wenn Sie die erreichte HM-Zeit mit 2,11 bis 2,15 multiplizieren, natürlich auch abhängig von den Bedingungen. Wenn Sie zumindest viermal pro Woche trainieren, könnten Sie in den Wochen 2 - 8 vor dem Marathon auch einmal pro Woche ein Intervalltraining einplanen. Dabei laufen Sie mehrere kürzere Abschnitte im Bereich des möglichen 10km-Wettkampftempos, z.B. 10 x 1000m, und machen dazwischen immer eine kurze (Trab-) Pause von drei bis vier Minuten. Bei fünf Einheiten käme zusätzlich noch ein regenerativer Dauerlauf dazu, der höchstens eine Stunde dauern sollte. Die schnelleren Einheiten sollten Sie in gut ausgeruhtem Zustand absolvieren, sonst ist die Abfolge der Einheiten innerhalb einer Trainingswoche nicht so dramatisch. Im Idealfall werden die Trainingseinheiten halbwegs gleichmäßig über die Woche verteilt, also nicht drei Einheiten am Wochenende und dann fünf Tage Pause. Das Marathontraining ist auch das beste Training für ein "weight management", also wenn Sie daneben halbwegs vernünftig unter Beachtung der allgemein bekannten Grundsätze einer gesunden Ernährung essen und keine Stoffwechselstörung vorliegt, werden Sie damit auch Ihrem Idealgewicht näher kommen, sofern nicht schon vorhanden. Übrigens gilt bei der Ernährung wie beim Training ein wesentliches Leitmotiv: Immer "hineinhorchen", der Körper meldet ohnehin fast unüberhörbar, was er braucht, was zuviel ist, etc. Beim Marathontraining kann man nichts erzwingen, erhalten Sie sich die Freude am Sport, dann werden Sie auch mit einem guten Gefühl am Start des Marathons stehen und diese Herausforderung bestens gerüstet annehmen können. Viel Erfolg, und: jeder Marathon ist auch ein wichtiger Lernprozess. Analysieren Sie nachher: was war schlecht, was hat mir viel gebracht - der nächste Marathon kommt bestimmt! Mag. W. Lilge Link: www.lcc-wien.at |