MaxFun Sports Laufsport Magazin

Lauf-Kundschaft gesucht

02.12.2002, 12:00:00
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Der Laufkalender ist übervoll. Sind die Grenzen des Wachstums erreicht?

Titelgeschichte der LEICHTATHLETIK 6/2002

Bericht aus der LEICHTATHLETIK 6/2002 - Bestellhinweise am Ende des Artikels

Mehr Veranstaltungen als je zuvor buhlen um die Gunst der Läufer. 445 Bewerbe waren im Running Timer des Jahres 2002 registriert. Zahlreiche wilde und kurzfristig organisierte Läufe grasen zusätzlich die Szene ab. Agenturen, Firmen und Tourismusregionen entdecken Laufen als neuen Hoffnungsmarkt. Laufveranstaltungen wurden zu einem beinharten Verdrängungswettbewerb. Termine kollidieren, Teilnehmerzahlen stagnieren: Haben wir zu viele Laufveranstaltungen?

So ändern sich die Zeiten: Einen Teilnehmerzuwachs kann man heutzutage sowieso nicht mehr erwarten. Franz Zimmermann, Organisationsleiter des Wolfgangseelaufs, spricht aus, was die Erfahrung lehrt. 171 Läufer weniger als vor einem Jahr waren diesmal im Ziel des Salzkammergut-Klassikers. Kein Malheur bei über 1.800 Finishern. Aber Teil eines Trends, den viele Veranstalter zu spüren bekommen: Immer mehr Bewerbe beackern eine große, aber kaum mehr wachsende Schar an Volksläufern. Noch vor zwei Jahren profitierten praktisch alle Veranstaltungen vom Laufboom, nun gleicht das Bild eher den Börsenkursen an der Wall Street: generell eher flau, rasche Gewinne und Verluste nicht ausgeschlossen.

Der Markt, so sagt man, reguliert sich von selbst. Aber wie reguliert er sich? Boomt der Laufsport nur mehr in den Ballungsgebieten und Tourismusregionen? Geraten Qualität und Service ins Hintertreffen? Wer gewinnt? Wer verliert? Wo gibt es Chancen?

Ist Neu gleich Besser?

Die Gunst der Läufer ist ein Vogerl. Einmal hierhin, einmal dorthin. Marketing und Geld heißen die Hürden, über die jeder Neueinsteiger am Laufmarkt zuerst einmal springen muss. Aber schafft er das, werden neue Veranstaltungen freudig begrüßt. Linz-Marathon, 3-Länder-Marathon am Bodensee, Achenseelauf, Kärnten läuft – allesamt Neugründungen mit Teilnehmerzahlen von ca. 2.000 aufwärts. Das Alte mag zwar gut sein, aber man kennt es bereits. Das Neue ist organisatorisch nicht immer sattelfest, aber es wirkt frischer. Gerade Traditionsveranstaltungen sind dadurch gefordert.

Buhlen um die Gunst der Läufer

An manchen Wochenenden wird Österreich von 20 und mehr Läufen überhäuft, oft mit bis zu acht Veranstaltungen in einem Bundesland. In Oberösterreich fanden letztes Jahr im Umkreis von 50 Kilometer vier Silvesterläufe statt. Nächstes Jahr wird die Szene noch dichter: Der LCC Wien etwa plant für 26. Oktober einen neuen Marathon mit Ziel im Happel Stadion. In Stinatz steigt am 14. September – zugleich mit dem Wachaumarathon – ebenfalls eine 42 km Premiere. Dazu will die Attersee-Region mit einem 48 km-Rund-um-den-See Lauf neu in den Beliebtheits-Contest einsteigen. Kollisionen prägten schon jetzt das Bild.

In Wien: Die Halbmarathons von LCC und Wien-Energie. In Oberösterreich: Der Linz-Marathon und der Wels-Halbmarathon. In Tirol: Der Halbmarathon in Hall und eine Woche davor der Marathon in Wörgl. Das überfordert selbst eingefleischteste Verfechter des wochenendlichen Mehrfachstarts. Eine zentrale Regulierung der Termine ist nur in den wenigsten Fällen möglich, wie etwa bei gravierenden Kollisionen mit ÖLV-Meisterschaften. Wir können Veranstalter nur über Terminkollisionen informieren und hoffen, dass sie im Sinne der Läufer kooperieren, so ÖLV-Laufsportreferent Hannes Gruber, aber niemand kann zu einem anderen Termin gezwungen werden. Veranstalter nehmen sich oft in den meisten Regionen gegenseitig die Starter weg. Sponsoren zeigen dafür wenig Verständnis, was dem Laufsport insgesamt abträglich ist.

Masse zieht an

Größe zählt: Das Feeling bei einem großen City-Marathon lässt sich nicht mit einem 300-Starter-Volkslauf vergleichen. Teilnehmerstarke Bewerbe wie der Wien- und Wachau-Marathon können auch Konkurrenz und – wie heuer – Teilnehmerrückgänge auf den Hauptdistanzen verkraften. Die sportliche und marketingtechnische Visitenkarte dieser Bewerbe bleibt trotzdem bestehen. Große Massen ziehen kleinere Massen an.

Erlebnis schlägt Ergebnis

Laufen als Erlebnis steht hoch im Kurs. Wenn nicht der Wettkampf die Hauptsache ist, nehmen besonders viele an einem Wettkampf teil. Der Wiener Frauenlauf ist so die drittgrößte Laufveranstaltung Österreichs geworden. Einige Firmenläufe haben mehr Starter als zehn durchschnittliche Volksläufe zusammengerechnet. Landschaftsläufe in attraktiven Regionen – Wolfgangsee, Fuschlsee, Großglockner ... – können bei einigermaßen verlässlicher Organisation weiterhin auf hohe Teilnehmerzahlen setzen. Im Ziel feiern statt umfallen, gemeinsam laufen statt einsam kämpfen, Landschaft genießen statt Kilometer abspulen: Bewerbe mit diesen Grundsätzen liegen derzeit auf der Gewinnerseite.

Nicht das Service zählt

Und die klassischen Orts-, Markt- und Volksläufe? Manche machen eigentlich alles richtig: Kurzweilige Strecke, Stimmung im ganzen Ort, attraktive Verlosung, Top-Preise für die Elite, vorbildliche Verpflegung, Hobby- und Kinderläufe, Ergebnislisten bei der Siegerehrung - und trotzdem fahren viele ein Minus von 100 oder 200 Läufern ein. Andere, auch Großbewerbe, geben sich weniger Mühe, erwecken oft den Unmut vieler Läufer und haben trotzdem Zulauf. Raunzen und wiederkommen, heißt hier offenbar die Devise. Wie lange noch?
Außerhalb von Stadt- und Tourismusregionen ist die Grundwährung Aufmerksamkeit schwieriger zu bekommen, ein Teilnehmerrückgang wird dort rasch zur Existenzfrage: Tu ich mir das nochmals an?, fragen sich die Freizeit- und Wochenendorganisatoren zurecht, wenn nicht einmal ein kleiner Gewinn für die Vereinskassa übrig bleibt. Um die zahlreichen läuferischen Nahversorger wäre schade, aber auch im Laufsport können diese nur mit sehr viel Initiative bestehen.

Wohin laufen wir?

Das Gedränge am Markt ist groß. Aber gibt es nicht trotzdem Platz? Sicher nicht für den x-ten Lauf an einem übervollen Frühlings- und Herbstwochenende, aber für Bewerbe, die Qualität bieten und unterscheidbar sind.

Ein paar Anregungen: · Es gibt sehr wenig exakt vermessene 10-Kilometer-Straßenläufe.
· Der AIMS-Vermessung sollte generell mehr Wert eingeräumt werden. Wo 21,1 drauf steht, dürfen nicht 20,9 drinnen sein.
· Bewerbe abseits des Leistungsgedankens haben Potential. Benefizläufe, Staffel- und Teambewerbe, ein besonderer Anlass, eine attraktive, publikumswirksame Strecke ...: Ideen können begeistern.
· Lauf- und Leichtathletikbewerbe, bei denen Kinder im Mittelpunkt stehen, würden noch Platz für viele Veranstalter bieten.

Eine verlässliche Organisation ist in jedem Fall wichtig, aber in jedem Fall anders. Der Lauf selbst ist nur ein Faktor, das Gesamtbild der Veranstaltung muss stimmen. Haben wir zu viele Läufe? Zumindest zu viele, die einander ähnlich sind.

Bericht aus der LEICHTATHLETIK 6/2002 - Die Zeitschrift für Läufer und Leichtathleten. Verlag Komm.-Rat Dr. Christoph Michelic.
Bestellungen: www.leichtathletik.co.at; 8 Ausgaben im Jahr, Heftpreis 4 €, Jahresabo €31, Auslandsabo €39,-. Bei Abo ein Probeexemplar gratis
Rückfragehinweis: Dr. Christoph Michelic, 0664/254 50 54

andreas maier, wolfgang adler

Link: www.leichtathletik.co.at

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