MaxFun Sports Laufsport Magazin
Frauen laufen anders
25.04.2002, 12:00:00
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Die Stellung der Frauen in der Laufsportszene hat in den letzten Jahrzehnten eine unglaubliche Wandlung erfahren. Noch 1956 schrieb der Frauenarzt Heinrich Martius in einem Beitrag für DAS KLEINE FRAUENBUCH: „Es widerspricht der Würde der Frauen, wenn sie mit verkrampften Gesichtern und Gliedmaßen sportliche Rekorde sich aufzustellen bemühen und den Männern nachzueifern trachten. Für einen solchen Konkurrenzkampf sollten die Frauen zu stolz sein.“ Er scheint die damals vorherrschende Meinung widerzuspiegeln, gerade einmal 45 Jahre sind seither vergangen. 1967 musste Kathrine Switzer sich in Männerkleidung an den Start des Boston Marathons schummeln, erst 1972 wurden Frauen bei diesem Marathon offiziell zugelassen. 1983 wurde der erste Frauen-Marathon im Rahmen einer WM ausgetragen, seit 1984 ist der Frauen-Marathon olympische Disziplin. ....und nun entdecken immer mehr Frauen den Laufsport für sich, auch wenn der Wettkampfgedanke, das Leistungs- und Konkurrenzempfinden als Triebfeder bei der großen Masse der Frauen nicht im Vordergrund steht – und das ist schön so. Selbst ich als Spitzensportlerin, der es ja primär um Zeiten und Platzierungen gehen müsste, habe mir meinen eigenen, „fraulichen“ Zugang zum Leistungssport erhalten. Auch wenn meiner Einstellung zum „schnellen Laufen“ eine gewisse Ambivalenz innewohnen möge, möchte ich meinen Zugang zum Laufsport im Spitzenbereich beschreiben, der – und so hoffe ich – das Empfinden vieler laufender Frauen wohl sehr gut wiedergibt: ”Ich kämpfe nicht, ich laufe. Ich strenge mich an, aber mein Ziel ist die Leichtigkeit. Ich laufe für den Sieg, aber nicht gegen andere. Ich will die Bewegung genießen, auch wenn der Trainingsplan hart ist. Ich suche das fließende Laufgefühl, denn damit kommt der Erfolg. Mich freut eine Bestzeit so unglaublich, aber schöner ist der Weg dorthin. Ich fordere meinen Körper, aber ich höre auf seine Signale. Mich fasziniert das Laufen an der Grenze, aber ich verspüre keine Lust mich zu quälen. Laufen ist mein voller Ernst, aber es ist ein großes Spiel für mich. Ich will all meine Kräfte bündeln, aber dazu muss ich locker sein. Ich kämpfe nicht gegen die Männer, aber manche kämpfen mit mir. Ich analysiere all meine Trainingseinheiten, aber die Harmonie der Schritte wird in den Tabellen nicht sichtbar. Ich will das Beste aus mir herausholen, aber es soll wirken wie mühelos. Ich will mich nicht selbst besiegen, denn dann trage ich auch eine Niederlage in mir. Ich will in mich hineinhorchen und aus mir herausgehen, viele Stunden und viele Kilometer lang. Ich mag Konkurrenz, aber keine Duelle. Ich laufe für neue Energie und ärgere mich, wenn ich Zeit und Platzierung trotzdem recht wichtig nehme.” ...das Messen mit Konkurrenten, das Kämpfen um Zeiten und Platzierungen, der nie endende Wettkampf gegen die Stoppuhr ist eine sehr männliche Eigenschaft - ein durchaus nicht negativer Zugang zum Sport, er beinhaltet eine gewisse Begeisterungsfähigkeit. Auch wenn Pauschalierungen den individuellen Ansatz gelegentlich nicht zu treffen vermögen, scheinen Frauen die emotionale Seite des Laufens besser zu verstehen. Es gelingt ihnen oft besser, Laufen als das zu akzeptieren, was es ist – eine äußerst befriedigende rhythmisch-dynamische Bewegungsform mit meditativem Potenzial. Eine Möglichkeit der Mehrfachbelastung durch Beruf und Familie zu entkommen, Zeit für sich zu finden und Kraft für den Alltag zu schöpfen. Zugegeben, die Motivation vieler Frauen zu Laufbeginn ist nicht selten der Gedanke an Schönheit und Figur, es gilt den „Problemzonen“ zu Leibe zu rücken. Sehr oft wird dieses „zweckorientierte“ Bewegungsprogramm zunehmend zu Lust und Freude am Laufen per se. Laufen Frauen anders? – ein paar kleine Unterschiede: Frauen haben mehr Fett als Männer, um etwa 8%. Für das Laufen ist das ein Ballast, der zusätzlich mitgetragen werden muss. So besteht also der Hauptunterschied in der Leistungsfähigkeit bei gleicher Körpermasse in der geschlechtstypisch differenten Körperzusammensetzung. Bezieht man die maximal mögliche Leistungsfähigkeit auf die fettfreie Körpermasse, verringert sich der Unterschied der Spitzenleistungen in den Ausdauersportarten deutlich. Das ist auch der Grund, warum es bei Spitzensportlerinnen, die ihren Fettanteil an der Körpermasse denen der Männer beinahe angeglichen haben, zu einer zunehmenden Annäherung der Höchstleistungen kam. Zusätzlich scheint der Trainingseffekt im Ausdauerbereich bei Frauen größer zu sein, das heißt der gleiche Trainingsreiz wirkt etwas stärker, Frauen sind im Ausdauerbereich etwas besser trainierbar als Männer. FRAUEN AUF DEM VORMARSCH? Nein, ein kleiner positiver Teilaspekt! Frauen haben weniger Muskelmasse als Männer, um 10 - 15%. Durch das Testosteron können Männer leichter Kraft entwickeln und auch schneller regenerieren. Die Lungenkapazität von Frauen ist geringer. Das Herzvolumen von Frauen ist kleiner als das der Männer, um 10 - 15%. Zyklusabhängige Hormonveränderungen, hormonabhängige Wassereinlagerungen ins Gewebe, Fettverteilungsmuster, Neigung zu Cellulitis,..... ....und noch so einige Schwierigkeiten mehr, mit denen die Frauen zu kämpfen haben. Frauen sind von ihren körperlichen Voraussetzungen also eher im Nachteil, PRIMÄR NICHT FÜRS LAUFEN GESCHAFFEN? Und doch entdecken immer mehr Frauen den Laufsport für sich, bevölkern die Wälder, die Parkanlagen, die Straßen der Städte. Sie verstecken sich nicht mehr in fraueneigenen Gymnastik- und Aerobic-Stunden und Fitness-Studios. Die Frauen treten aus ihrer Anonymität heraus, stehen mit Selbstbewusstsein zu ihren etwas anderen körperlichen Gegebenheiten. Halten dem Spott so mancher männlicher Laufkollegen durchaus stand. Immer mehr Frauen laufen. Das sagt ein Blick auf alle Laufstrecken und das sagen auch die Beteiligungsstatistiken an Laufveranstaltungen. Die Zuwendung zu kürzeren Distanzen spiegelt dabei hervorragend den Zugang der Frauen zu dieser Sportart und zu den Laufevents wider. Es geht ums „Dabeisein“ ohne Zwänge und Verpflichtungen, um das Einfangen der Stimmung, um soziale und emotionale Komponenten. Die rhythmische Bewegung, das Aufnehmen von Sinneseindrücken, das leichte Laufgefühl, die beruhigende Wirkung des Dahintrabens - vielen Frauen ist das wichtiger als das Quälen an der Schmerzgrenze. Die Stellung und Aufwertung der Frauen im Laufsport liegt mir besonders am Herzen. Es freut mich daher sehr, beim diesjährigen Wien Marathon eine Botschafterin der sporttreibenden Frauen sein zu dürfen. In dieser Funktion möchte ich mich weder für Emanzipation und Gleichberechtigung, noch für die Aufwertung des Frauen-Leistungssports stark machen, beides passt nicht zu meinem Naturell. Ich möchte vielmehr vermitteln, dass der Laufsport durchaus das Potenzial hat, ein Refugium für uns Frauen zu sein. Beim Laufen entwickeln sich Kraft, Vertrauen, Selbstbewusstsein ebenso wie Freude und Wohlbefinden. Es macht uns Frauen ausgeglichener, das zu unserer Gesellschaft beizutragen, was seit jeher unsere Aufgabe war: Liebe, Verständnis, Gleichmut. Bericht von der Vienna City Marathon Pressekonferenz 2002 MaxFun Link: www.maxfun.at |