Es gibt viele Schallmauern im Sport. Wie die 4-Minuten Meile oder die 10.000m unter 30 Minuten
Für einen großen Teil der Langstreckenläufer ist aber das Bewältigen der 10km Distanz unter 40 Minuten ein machbares Unterfangen.
Bei den meisten Volksläufen landet man mit einem 4er-Schnitt (4 Minuten pro Kilometer) noch im ersten Drittel des Teilnehmerfeldes. Wer diese Leistung schafft, darf sich zu den Racern innerhalb der Szene zählen. Wer ohne viel Training diese Zeit laufen kann, der darf damit spekulieren, bei entsprechender Leistungsentwicklung irgendwann bei einem Volkslauf bei der Siegerehrung vielleicht einmal ganz oben zu stehen. Für Frauen bedeutet diese Leistung, bereits zu den besten 20 – 30 Läuferinnen in Österreich zu gehören, womit man bei den meisten Volksläufen bereits gewinnen kann.
Wer mit einem 4-Minuten Tempo beim Training durch die Wiener Hauptallee läuft, der fliegt an fast allen anderen Läufern vorbei und wird nicht selten bewundernde (oder neidvolle) Blicke ernten. Der zeitliche Aufwand, der nötig ist um dieses Ziel zu erreichen, ist für normale Läufer, die den Sport neben Familie und Beruf ausüben, bei entsprechendem Talent meist ohne größere Konflikte zu bewältigen.
Es gibt einzelne Talente, die laufen auch ohne Training 10 Kilometer unter 40 Minuten. Durchschnittlich beträgt der Trainingsaufwand für eine derartige Leistung aber durch längere Zeit hindurch 3 – 5 Nettotrainingstunden pro Woche. Diese Zeit läßt sich – bei entsprechender Prioritätensetzung – von den meisten Sportlern aufbringen. Das ist aber eben nur der Durchschnitt. Es gibt keinen gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen Trainingsumfang und Leistung. Der beschriebene Trainingsumfang ist auch gerade das Ausmaß, das bei vernünftiger Steuerung als Optimum zur Gesundheitsförderung angesehen wird. Damit erfolgt ein Beitrag zur Verminderung des Risikos für das Entstehen einer Herz-Kreislauferkrankung. Ein höherer Trainingsumfang wird zwar die Leistung verbessern, bringt aber kaum einen weiteren gesundheitlichen Nutzen.
Da das spezifische Training für einen 10km Wettkampf aber auch recht intensive Trainingseinheiten beinhaltet, sollte beim Vorliegen von gesundheitlichen Risikofaktoren eine sportmedizinische Untersuchung dem Training vorangestellt werden.
Risikofaktoren für das Entstehen einer Herz-Kreislauferkrankung
Alter (falls sie nicht schon sehr lange Sport ohne Probleme betreiben): ab 45 Jahren
Bluthochdruck : systolisch über 140, diastolisch über 85 (in Ruhe)
hoher Cholesterinspiegel : über 200mg/dl
Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
starkes Übergewicht : Body Mass Index (BMI) über 25
BMI = Körpergewicht (kg) / (Körpergröße (m))²
Zigarettenkonsum (bei Sportlern gefährlicher als bei Nichtsportlern!)
erbliche Belastung
hoher Stress
Welche Faktoren beeinflussen die 10km Zeit?
Aufgrund der Belastungsdauer sind vor allem die aerobe Ausdauerkomponente (Fettstoffwechsel und Kohlenhydratstoffwechsel) als Grundlagenausdauer und die Leistung an der anaeroben Schwelle entscheidend.
Aerobe Ausdauer: Ausdauerintensität mit einer ausreichenden Sauerstoffversorgung, so daß ein Stoffwechselgleichgewicht besteht. Bei Dauerleistungen im aeroben Bereich kommt es auch bei langer Belastungsdauer kaum zu einem Laktatanstieg. Bei niedriger Intensität und in Ruhe erfolgt die Energieversorgung überwiegend über die Fettspeicher. Je höher die Intensität, um so größer ist der Anteil der Kohlenhydrate an der Energiebereitstellung, ab ca. 7-8 mmol Laktatkonzentration praktisch ausschließlich. Da die Kohlenhydratspeicher viel kleiner als die Fettspeicher sind, sollte jeder Ausdauersportler sein Training so gestalten, daß auch noch bei einer relativ hohen Intensität überwiegend Fette verstoffwechselt werden. Im Wettkampf des 10km Läufers ist der aerobe Kohlenhydratstoffwechsel zwar am wichtigsten, aber für eine entsprechende Trainingswirkung muß ein Großteil des Trainings (mindestens zwei Drittel) im Fettstoffwechselbereich absolviert werden.
Anaerobe Schwelle: die Intensität, bei der sich Sauerstoffaufnahme und Verbrauch gerade noch einigermaßen die Waage halten. Bei den meisten Ausdauersportlern liegt die anaerobe Schwelle bei einer Laktatkonzentration von 3 – 4 mmol. Dies entspricht einer Herzfrequenz von ca. 90% der individuellen maximalen Herzfrequenz. Darüber kommt es zum Eingehen einer Sauerstoffschuld. Das Laktat (= Salz der Milchsäure), das als Abbauprodukt des Kohlenhydratstoffwechsels in der Muskulatur entsteht, kann dann nicht mehr entsprechend abgebaut werden und steigt auch im Blut immer weiter an. Durch die zunehmende Übersäuerung muß bei Dauerbelastungen das Tempo stark reduziert werden. Das Gefühl kennen sie sicher, wenn sie ein 10km Rennen zu schnell angehen und dann entsprechend „blau“ werden. Der 10.000m Läufer muß im Gegensatz zum Marathonläufer auch lernen, mit relativ hohen Laktatwerten umzugehen (Laktattoleranz).
Die Kraftausdauer und die Laufökonomie sind weitere beeinflussende Faktoren. Von allen Laufstrecken gibt es zwischen der Wettkampfleistung und der Höhe der anaeroben Schwelle beim 10.000m Lauf den engsten Zusammenhang. Eine Verbesserung der anaeroben Schwelle um 3 Sekunden pro Kilometer wird sich direkt in einer Verbesserung der 10.000m Zeit im Ausmaß einer halben Minute niederschlagen. Beim 4 – 5 x 2000m Stufentest entspricht das ermittelte Lauftempo bei 4 mmol Laktatkonzentration ziemlich exakt dem möglichen 10km Tempo. Bei der Laufbandergometrie mit 3-Minuten Stufendauer und je 2km/h Belastungssteigerung gilt dies für den 3 mmol Wert, d.h. sie sollten bei 15km/h nicht mehr als 3 mmol Laktat aufweisen.
Allerdings darf nicht der Schluß gezogen werden, daß für eine Verbesserung der anaeroben Schwelle überwiegend mit einer Intensität an der anaeroben Schwelle trainiert werden muß. Diese relativ intensiven Trainingseinheiten (4 – 6 mmol Laktat) dürfen nur „das Salz in der Suppe“ des Ausdauertrainings ausmachen. Bei einem Trainingsumfang von 5 Stunden pro Woche bedeutet das, daß nur ca. eine halbe Stunde pro Woche (netto) in diesem intensiven Bereich trainiert werden sollte. Bei einem höheren Trainingsumfang (z.B. 10 Stunden Ausdauertraining pro Woche) sollte der intensive Anteil noch geringer sein (ca. 5%). Und auch diese Zahl gilt nur für die Vorwettkampf- und Wettkampfsaison. In der Vorbereitungsphase muß der intensive Anteil noch deutlich geringer sein. Ein möglichst breites Fundament der Grundlagenausdauer stellt die wichtigste Voraussetzung dar.
Es hilft überhaupt nicht, die anaeroben Fähigkeiten statt der aeroben Basis zu entwickeln. Die anaeroben Fähigkeiten bauen auf dem aeroben Fundament auf und stellen eine Ergänzung dar. Ein zu hoher Anteil des intensiven Trainings würde die aerobe Basis verschlechtern. Ein instabiles Leistungsverhalten und plötzlich „Abstürze“ mitten in der Saison sind die typischen Folgen. In allen Ausdauersportarten kann eine Hochform maximal 6 – 10 Wochen gehalten werden. Deshalb schieben viele Spitzensportler zwischen 2 Hauptwettkampfblöcken einen mehrwöchigen rein aeroben Block ein, um die aerobe Basis wieder aufzufrischen.
Jeder Ausdauersportler hat seine individuellen Stärken und Schwächen. Läufer mit einer schwachen aeroben Basis können sich mit gut entwickelten anaeroben Fähigkeiten oft noch ganz beachtlich über die 5000m Distanz schlagen. Über 10.000m oder gar über die Marathondistanz sieht die Sache dann mitunter ganz anders aus. Andererseits haben manche prädestinierte Marathonläufer (hohe Effizienz im Fettstoffwechselbereich) mit dem notwendigen höheren Lauftempo eines 10.000m Laufes ihre Probleme. Entsprechend dieser unterschiedlichen Voraussetzungen müssen auch die Schwerpunkte im Training etwas anders gelagert sein. Für jene, die bisher immer nur kürzere Distanzen gelaufen sind, wäre eine 5000m Zeit (vermessene Strecke!) von 19:00 bis 19:30 eine gute Voraussetzung für eine 10km Zeit unter 40 Minuten. In diesem Fall stellt das Anheben des Trainingsumfanges mit einem höheren Anteil an ruhigen Dauerläufen sicher die richtige Vorgangsweise dar.
Marathonläufer, die vielleicht nach einem Marathon im Frühjahr im Sommer ihre 10km Zeit verbessern möchten, müssen nach der entsprechenden Regenerationsphase vor allem ihre anaerobe Schwelle verbessern. Dazu eignen sich kurze, schnelle Dauerläufe, extensive Fahrtspiele und extensive Tempoläufe.
Trainingsformen zur Verbesserung der anaeroben Schwelle Trainingsform - Beschreibung : Dauerlauf schnell: kurzer Dauerlauf (4 – 8km), etwas langsamer (oder gleich schnell) als das mögliche 10km Tempo; Hf: ca. 85 – 90% Hfmax, Laktat: 3 – 5 mmol
Fahrtspiel extensiv : eingebettet in einen ruhigen Dauerlauf zügige Abschnitte, jeweils 3 – 6‘, danach jeweils halb so lange oder gleich lange Trabpause, insgesamt 20 – 30 zügige Minuten; Tempo gleich schnell oder etwas schneller als das mögliche 10km Tempo; Hf: Tempostrecken max. 90% Hfmax, Laktat: 3 – ca. 7 mmol
extensive Tempoläufe : Tempostrecken: 800 – 3000m, Tempo: gleich schnell (bei 2000 – 3000m Strecken) oder etwas schneller (5-15“/1000m) als mögliches 10km Tempo; Gesamtdistanz: 5 – 12km, Pausen (gehend/trabend): ca. halb so lange wie vorhergehende Tempostrecke; Hf: max. 95% Hfmax (am Ende der Belastung), Laktat: 4 – 6 mmol; Wichtig: für eine schwellenwirksame Belastung sollten sie das Gefühl haben nach der letzten Wiederholung noch 1 – 2 Wiederholungen im gleichen Tempo laufen zu können;
Beispiele: 3 x 3000m, 4-5 x 2000m, 6 – 10 x 1000m, 12 x 800m, 1000m-2000m-3000m-2000m-1000m, o.ä.
Das umfangsorientierte Wintertraining des Marathonläufers stellt die ideale aerobe Grundlage für kürzere Wettkämpfe im Sommer dar. (Diesen Weg wählt auch Michael Buchleitner nach seiner überaus gut gelungenen Marathonpremiere mit 2:12). Der umgekehrte Weg – ein Herbstmarathon nach einer Wettkampfsaison auf der Unterdistanz - ist wesentlich riskanter. Damit die intensiveren Trainingseinheiten aber überhaupt entsprechend wirken können, muß der Umfang zu Gunsten der Qualität im Vergleich zum Marathontraining etwas reduziert werden. Für den 10.000m Läufer sind auch bei einem hohen Leistungsniveau sehr lange Dauerläufe über 1:45 gar nicht sinnvoll.
Wettkämpfe über 10km (Straße) oder 10.000m (Bahn) kann man natürlich wesentlich häufiger bestreiten als Marathonläufe. 3 – 5 Tage nach einem Wettkampf sollte man zumindest physisch wieder voll erholt sein. Das bedeutet natürlich nicht, daß man jedes Wochenende einen 10km Wettkampf bestreiten könnte. Die intensive Belastung durch die Wettkämpfe würde bereits nach einigen Wochen zu Lasten der Grundlagenausdauer gehen.
Manche Läufer meinen, daß ein 10km Wettkampf einfacher wäre als ein Rennen über 3000m oder 5000m, wo man von Beginn an anaerob unterwegs ist und mit der zunehmenden Sauerstoffschuld zu kämpfen hat. Ein gut eingeteilter 10.000m Lauf sollte bis zur Hälfte eigentlich recht locker sein, zumindest wenn man mit der psychischen Belastung der 25 Runden keine Probleme hat.
Nachstehend finden sie einen 10-Wochen Trainingsplan für einen 10km Lauf unter 40:00. Dieser Plan eignet sich für alle Läufer, die 3 – 4 mal pro Woche trainieren und zu Beginn dieser 10 Wochen bereits ca. 40:30 bis 41:00 laufen könnten – denn Wunder gibt es keine! Da sich der Plan an einem bestimmten Wettkampftempo orientiert, können auch für die Trainingseinheiten die Geschwindigkeiten angegeben werden. Zusätzlich kann – vor allem bei schwierigen Bedingungen – auch eine Orientierung an der Herzfrequenz erfolgen.
Bei jeder Woche finden sie 4 Trainingseinheiten. Falls sie nur 3 Einheiten absolvieren können, kann der regenerative Dauerlauf entfallen. Die Abfolge der Trainingseinheiten ist unwesentlich, aber es sollten nicht 2 Belastungen unmittelbar aufeinander folgen. Natürlich müßte der Plan adaptiert werden, wenn sie derzeit häufiger als 4 mal pro Woche trainieren. Eine Reduktion des Trainingsumfanges kann nur dann zum Erfolg führen, wenn das aktuelle Training eigentlich zu viel für sie ist.
In Ergänzung zu den angegebenen Trainingsformen sollten sie zumindest einmal pro Woche (am besten im Rahmen des Aufwärmens für die intensivste Einheit) ca. 15‘ an der Lauftechnik („Lauf ABC“) arbeiten. (Details finden sie im Laufsport 5/99). Die ruhigen Dauerläufe sollten sie mit einigen lockeren Steigerungsläufen abschließen und vergessen sie nicht auf das Ein- und Auslaufen bei den schnelleren Einheiten.
Woche 1: 1. 3 x 3000m, ca. 4:15/km, je 1km Trabpause
2. 12km Dl l
3. 8km Dl m
4. 8km Dl reg
Woche 2:
1. 4 x 2000m, ca. 4:05 – 4:10/km, je 4 Trabpause
2. 14 – 16km Dl l
3. 8 – 10km Dl m
4. 8 – 10km Dl reg
Woche 3
1. 5 x 2000m, ca. 4:05 – 4:10/km
2. 16 – 18km Dl l
3. 10 – 12km Dl m
4. 8 – 10km Dl reg
Woche 4
1. 1000m-2000m-3000m-2000m-1000m; in 3:55-8:00-12:15-8:00-3:55; Trabpausen: 2‘-3‘-4‘-3‘
2. 16 – 20km DL l
3. 6km Dl m, 1km Trabpause, 4km Dl s
4. 8 – 10km Dl reg
Woche 5
1. 1000m-1000m-2000m-3000m-2000m-1000m-1000m; in 2x3:55-8:00-12:15-8:00-2x3:55; Trabpausen: 2x2‘-3‘-4‘-3‘-2‘
2. 14 – 16km Dl l
3. 2 x 5km Dl s, dazwischen 1km Trabpause
4. 8 – 10km Dl reg
Woche 6 (= Regenerationswoche)
1. 10 – 12km Dl l
2. 6 – 8km Dl m
3. 6 – 8km Dl reg
Woche 7
1. 10 x 1000m; je ca. 3:50 – 3:55, je 2 Trabpause
2. 16km Dl l
3. 4km Dl m – 4km Dl s – 4km Dl m (ohne Pause)
4. 8 – 10km Dl reg
Woche 8
1. 12 x 1000m; je ca. 3:50 – 3:55, je 2‘ Trabpause
2. 16 – 18km Dl l
3. 10km Dl m + 5km Dl s (ohne Pause)
4. 8 – 10km Dl reg
Woche 9
1. 2 x 6 x 1000m; je ca. 3:45 – 3:50, je 2‘ Trabpause, 8‘ Serienpause
2. 12 – 14km Dl l
3. 4km Dl m – 4km Dl s – 4km Dl m – 4km Dl s
4. 8 – 10km Dl reg
Woche 10
1. 12 x 500m; je ca. 1:50 – 1:55 (nicht schneller!), je 1:30 Trabpause; diese Einheit 4 – 5 Tage vor dem Wettkampf absolvieren
2. 10km Dl l
3. 6 – 8km Dl reg; am Tag vor dem Wettkampf
Wilhelm Lilge