Wo sind die Spatzen?

Auf langen Läufen beginnen mich oft die seltsamsten Gedanken zu beschäftigen.

Manche verschwinden schnell wieder und werden vergessen, der eine oder andere lässt mich jedoch nicht mehr los und schleicht immer wieder durch mein mitlaufendes Gehirn. In letzter Zeit z.B. werde ich den Eindruck nicht mehr los, dass es in Wien keine Spatzen mehr gibt! Wo sind sie hin, diese kleinen Vögel, die überall zu beobachten waren, nicht nur dort, wo man laufen kann. Gleich ob in der Wiener Hauptallee, ob in Schönbrunn oder in Wirtshausgärten, allgegenwärtig waren sie, seit ich mich erinnern kann. Jetzt aber scheinen sie verschwunden zu sein. Hin und wieder glaube ich zwar, einen zu sehen, bin mir aber nicht sicher, ob in einem solchen Fall nicht mehr der Wunsch der Vater meiner Beobachtung ist.

Nicht dass dadurch mein Leben in besonderer Weise beeinflusst wäre, dennoch aber stimmt mich die Sache nachdenklich. Wo sind sie hin? Haben die Spatzen Wien verlassen und sind ausgewandert? Ist etwa die Luft schlechter geworden oder hat man im Zuge des Rauchverbots in Lokalen auch ein Spatzenverbot eingeführt? Wurden Sie deportiert? Hat man sie ausgewiesen? Wer steckt hinter dieser eigenartigen Sache? Handelt es sich um eine Verschwörung? Irgendwie vermisse ich die kleinen Zweifüßler. Nicht nur beim Laufen habe ich mich dann und wann gefreut, wenn einer von ihnen am Straßenrand oder auf Bänken lustig herum gehopst ist. Ebenso heiter war mir zumute, einen besonders frechen Spatzen zu beobachten, wenn er im Garten eines Gasthauses auf den Tischen landete, um sich dort ein Stückchen Brot oder sonst etwas Delikates zu holen. Es hat sogar solche gegeben, die sich ihre Beute fast aus der Hand der Spender reichen ließen.

Seit mich der Verlust der Spatzen zu beschäftigen begonnen hat, fallen mir übrigens die Krähen mehr auf. Sie, die man eigentlich hauptsächlich in den Herbst- und Wintermonaten beobachten konnte, sind immer noch da. Auch die Tauben, obwohl diese ebenfalls weniger zu werden scheinen. Wie dem auch sei, ich komme nicht zur Ruhe und muss der Sache auf den Grund gehen, warum ich beschlossen habe, in den nächsten Wochen regelmäßige „Spatzenläufe“ zu absolvieren, während denen ich ganz aufmerksam, einzig und allein darauf achten werde, ob ich nicht doch einen von ihnen entdecken kann. Vielleicht finden sich ja Gleichgesinnte, die ebenfalls einen „Spatzenlauf“ versuchen möchten. In diesem Fall ersuche ich um Benachrichtigung, sei es in unserem Forum oder aber auch per Mail. Es kann doch nicht sein, dass die Zen-Runner Gemeinde dieses Rätsel nicht zu lösen im Stande wäre!

Dr. Günter Heidinger