Der neue Zen-Meister

Auch Zen-Meister, die ein Kloster oder eine Zen-Gemeinde leiten, werden alt und müssen aus diesem Grund einen Nachfolger bestimmen.

Keine einfache Aufgabe. Manche haben recht eigentümliche Methoden dieser Aufgabe gerecht zu werden und noch lange Zeit später erzählt man sich von solchen Begebenheiten.

Einst war Meister Y. in die Jahre gekommen, wo er wusste, dass er bald in die Verwandlung eingehen würde. Deshalb rief er die in Frage kommenden Zen-Mönche zusammen, um den richtigen Nachfolger zu finden. Meister Y. stellte einen Krug mit Wasser auf ein Podest und fragte die Anwärter, was denn ihrer Meinung nach das Wesen dieses Kruges sei. Jeder der Mönche wollte jetzt seine Chance nutzen und beweisen, wie weit er im Geiste des Zen zu denken fähig wäre. Die Antworten und Erklärungen waren beeindruckend, Meister Y. dagegen alles andere als zufrieden mit den Bemühungen seiner Mönche. Die Enttäuschung war ihm anzusehen.

Da stand einer der Bewerber auf, ging ohne zu zögern auf das Podest zu und warf den Krug mit einer einzigen Bewegung zu Boden. Kein Wort verlierend setze er sich wieder und schwieg. Meister Y. dagegen konnte lächeln – er hatte seinen Nachfolger gefunden.

Dr. Günter Heidinger