MaxFun Sports Laufsport Magazin

Der Geist

08.09.2009, 12:00:00
Foto:
Jürgen Maul/PIXELIO

Es war einmal ein noch junger Mann, der seiner ebenfalls noch jungen aber todkranken Geliebten auf dem Sterbebett das Versprechen gab, sich nach ihrem Tod nie wieder mit einer anderen einzulassen.

Sollte er sein Gelöbnis brechen, dann, so drohte ihm seine Frau, werde sie ihm als Geist erscheinen und ihn nie mehr in Ruhe lassen. Rund ein Jahr hielt er sich an sein Versprechen, dann aber lernte er eine andere kennen und verliebte sich. Und wie angedroht erschien ihm schon nach wenigen Tagen jede Nacht ein Geist, der nicht nur alles wusste, was geschah, sondern auch noch seine wahren Gefühle kannte. Weil das für den jungen Mann aber nicht auszuhalten war, suchte er einen Zen-Meister auf und ersuchte ihn um seinen Rat.  

Zunächst lobte der Meister den Geist, der ja niemand anderer als die Frau des Mannes sein konnte. Er bzw. sie müsse ein weiser Geist sein, den er im Grunde bewundern sollte, weil er doch alles zu wissen schien. Dann riet der Meister dem Verzweifelten, er solle doch das nächste Mal, wenn der Geist seiner Frau erscheint, mit ihr einen Handel ausmachen. „Sagt ihr, dass ihr Eure Verlobung brechen und ledig bleiben werdet, wenn sie euch eine einzige Frage beantworten kann.“ Gespannt wartete der verwunderte Mann auf den Wortlaut dieser Frage.  

„Nehmt eine ordentliche Hand voll Bohnen, deren Zahl ihr nicht kennt und fragt sie, d.h. den Geist nach der genauen Zahl der Bohnen in Eurer Hand. Wenn sie es nicht sagen kann, so werdet ihr wissen, dass sie nur eine Ausgeburt Eurer Phantasie ist und sie wird euch nicht länger stören.“ Etwas erstaunt aber voller Tatendrang setzte der junge Mann den Rat des Meisters in die Tat um und als der Geist der Frau in der nächsten Nacht erschien, schmeichelte er ihr zunächst und sagte, dass sie ja alles wisse und er deshalb nichts vor ihr verbergen könne.  

„Ganz genau“ antwortete der Geist, „ich weiß sogar, dass du heute bei einem Zen-Meister warst.“ Daraufhin forderte der Mann den Geist auf: „Und da du so viel oder eigentlich alles weißt, sag mir wie viele Bohnen ich in meiner Hand halte!“  

Da war kein Geist mehr, um diese Frage zu beantworten.  

Wie lange würde die moderne Psychotherapie brauchen, um solche oder ähnliche Geister zu vertreiben?  

Dr. Günter Heidinger

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